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Niggemeier-Interview: Kai Diekmann, der Bildblogger

Bild-Chef Diekmann bloggt. Bildblogger Stefan Niggemeier sieht darin nur einen neuen Versuch, Kritikern auszuweichen. Sie würden nicht mehr verleugnet, sondern umarmt.

Herr Niggemeier, ist es schlau von Kai Diekmann, sein eigenes Blog zu machen und sich dort selbst zu vermarkten?

Ja, das ist nicht blöd. Ich weiß nicht, wen das erreicht, denn die Masse der Bild-Leser wird es eher nicht interessieren. Aber die Branche nimmt das natürlich zur Kenntnis. Und es ist schon clever, sich so darzustellen, als sei man total locker und offen für Kritik – insbesondere wenn man es nicht ist.

Kai Diekmann als lustiger Typ – ist das nicht das gleiche wie die Überzeugung, man könne Bild auch als Spaßblatt lesen?

Ja. Und natürlich ist es auch eine grandiose Täuschung. Denn selbstverständlich ist Bild kein Spaßblatt und das Blog nur eine neue Taktik, sich Kritik zu entziehen. Bislang hat Diekmann sich weitgehend aus der Öffentlichkeit ferngehalten und so versucht, sich Kritik nicht stellen zu müssen. Die neue Variante ist viel geschickter: Er entzieht sich einer ernsten Auseinandersetzung trotzdem – dadurch, dass er selber sagt, was er für ein schlimmer Finger ist, die Kritik läppisch wirken lässt und alles ironisiert. Dadurch ist er ...

Unangreifbar?

Es wirkt zumindest unangreifbar. Und es hat dazu noch einen deutlich höheren Unterhaltungswert als die alte Methode. Immerhin kann man es sich nun durchlesen und denken, was für eine coole Sau.

Ist es der Versuch, die Kontrolle über die eigene Geschichte zurückzubekommen? Wie Ashton Kutcher, der den nackten Hintern seiner Frau Demi Moore twittert?

Dafür ist im Zweifel bei Diekmanns seine Frau Katja Kessler zuständig, die gerade erst wieder eine Sammlung von Kolumnen über ihr Leben mit "Schatzi" veröffentlicht hat. Diekmann ist da selbst zum Glück nicht so offensiv. Und wenn man sich sein Blog genauer anguckt, sieht man, dass er nicht viel von sich preisgibt. Es ist eine lustige Kunstfigur, die da schreibt und Transparenz und Selbstkritik für spannende fremde Formen hält, die sie versuchsweise mal anprobiert.

Aber es ist professionell gemacht, oder?

Sehr. Allerdings ich würde nicht davon ausgehen, dass Kai Diekmann das alles in nächtelanger Heimarbeit zusammengeklöppelt hat. Das ist ja kein Privatblog, sondern ausdrücklich eines der Axel Springer AG. Aber man kann andererseits auch das Gefühl bekommen, dass dort jemand, der seit neun Jahren Bild-Chef ist, vielleicht nicht mehr ausgelastet ist und nach neuen Formen sucht, um sich selbst zu unterhalten – und nicht unbedingt die Öffentlichkeit.

Ist es nicht ein Erfolg: Sarkozy twittert, Diekmann bloggt – endlich nehmen sie das Internet ernst?

Naja, Diekmann nimmt es hier ja nur als Medium für Unernst ernst. Das ganze Blog ist ein großer Witz. Aber dass er gut darin ist, die Möglichkeiten des Mediums zu erkennen, und sie mit Lust ausprobiert, sieht man schon länger. Er rennt bei Veranstaltungen gerne mit einer kleinen Kamera rum und filmt die Prominenz – das ist eine gute Idee. Und er hat offensichtlich entdeckt, dass er im Internet eine gewisse Form von Wahnsinn ausleben kann, dass sich das Netz dafür eignet. Ob das ein Erfolg für das Internet ist, weiß ich nicht. Aber es ist groß genug, um auch all die Diekmanns und Sarkozys dieser Welt auszuhalten.

Stolz auf Bildblog, dass es erreicht hat, dass Diekmann aus der Deckung kommt?

Ach, wenn er denn aus der Deckung käme! Nein. Ich weiß nicht einmal, ob wir damit überhaupt etwas zu tun haben. Vielleicht wäre es anders, wenn er sich in dem Blog wirklich mit Kritik auseinandersetzen würde. Das aber tut er nicht. Ich glaube, es ist nur eine neue Taktik, Kritiker wie Jony Eisenberg oder uns durch Umarmung zu bekämpfen, statt sie wie bisher zu verleugnen.

Der Medienjournalist Stefan Niggemeier ist einer der Gründer des Bildblog und beobachtet dort seit 2004 die Bild und ihren Chefredakteur.

Quelle: ZEIT ONLINE

Interview: Kai Biermann

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