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Persönlichkeitsrecht: Verfallsdatum für Internetdaten?

Manche Sachen vergisst man besser ganz schnell wieder. Was aber, wenn peinliche Begebenheiten für jeden zugänglich im Internet dokumentiert werden? Ein Medienrechtler fordert für solche Daten ein Verfallsdatum.

"Ich sehe unsere Gesellschaft bedroht", sagte Viktor Mayer-Schönberger von der US-Universität Harvard in einem Gespräch im Rahmen des Festivals "Ars Electronica" in Linz. Das Internet als ewiges und umfassendes Gedächtnis sei ein Problem, das weit über Diskussionen um Datenschutz und Privatsphäre hinaus gehe. Der Wissenschaftler fordert deshalb, dass sich künftig alle digitalen Daten im Netz nach einer bestimmten Frist von alleine löschen. Nur so könne der komplette Kontrollverlust und die verzerrte Darstellung persönlicher Informationen gestoppt werden.

Die Menschen seien seit Jahrtausenden darauf programmiert, das meiste zu vergessen. Durch diese natürliche Selektion von Informationen wirke gerade Erlebtes wichtiger als Vergangenes: "Vergessen ist Standard, Erinnern die Ausnahme." Das Internet habe dies jedoch umgekehrt, im digitalen Netz sei jede noch so kleine Begebenheit für jeden zugänglich und für immer verewigt - eben auch Dinge, an die sich ein Mensch normalerweise nicht mehr erinnern kann. "Das führt dazu, dass Google mehr über uns weiß als wir selbst", warnt Mayer-Schönberger.

Diese Entwicklung führt aus Sicht des Wissenschaftlers zu einem völligen Kontrollverlust des Einzelnen. Ist etwas erst einmal im weltweiten Netz, kann es bislang nicht mehr ausgelöscht werden. Da der Mensch jedoch auf Vergessen programmiert sei, könne er diese Flut von zeitlosen Informationen nicht verarbeiten, alles wirke gleich wichtig.

Feuchtfröhliches Foto verhindert Anstellung

Als Beispiel nennt der Wissenschaftler den Fall eines Kanadiers, dem die Einreise in die USA verweigert wurde, weil er vor 17 Jahren einmal wegen Drogenkonsums polizeilich erfasst wurde. Ebenfalls in den USA wurde einer angehenden Lehrerin das Diplom verweigert, da die Universität im Internet ein Foto von ihr im Piratenkostüm mit einem Glas in der Hand entdeckte. Der Titel des Fotos sei "Betrunkener Pirat" gewesen. Für ihre Schüler, die dies im Internet sehen könnten, könne sie nicht mehr als Vorbild gelten, so die Begründung der Universität.

"Wir müssen das Vergessen wieder in Erinnerung rufen", fordert der Medienexperte. Hätten Daten ähnlich wie Milchtüten ein Ablaufdatum, müsse der Nutzer sich automatisch mit Fragen von Gewichtung und Selektion auseinandersetzen. Softwarehersteller sollten automatisch ein Verfallsdatum von Daten in ihre Produkte integrieren, das nach Bedarf vom Nutzer verlängert werden könnte. So könnten auch Probleme des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre gelöst werden. (mit dpa)

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