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Tablet-PC: Das Buch der Bücher

Apples Wohnzimmer-PC iPad kann dem E-Book zum Durchbruch verhelfen. Aber auch für die Lesegeräte von Amazon und Sony sprechen gute Gründe

Vor einem Jahr wurde in Leipzig der Startschuss für den Eintritt in die E-Book-Zeitrechnung in Deutschland gegeben. Die elektronischen Lesegeräte für digitale Bücher werden auch in diesem Jahr auf der Leipziger Buchmesse (18. bis 21. März) die Gemüter von Verlagskaufleuten und Publikum bewegen – obwohl die wichtigste Neuerung gar nicht zu sehen ist. Apples neuer Tablet-PC iPad, den Steve Jobs Ende Januar enthüllte, kommt erst am 3. April in den US-Handel, in Deutschland wird man das iPad sogar erst Ende nächsten Monats kaufen können. Dennoch zeichnet sich bereits jetzt ab, dass das iPad speziell den E-Book-Markt kräftig durcheinanderwirbeln wird. Eine Erhebung unter 3000 US-Konsumenten ergab, das vier von zehn Befragten, die in den nächsten drei Monaten ein E-Book-Lesegerät kaufen wollen, sich für ein Apple-Gerät entscheiden würden, nur 28 Prozent gaben an, einen Kindle-Reader von Amazon zu kaufen. Selbst die Kindle-Besitzer blicken bereits jetzt neidvoll auf Apples neues Wohnzimmerspielzeug. Jeder Vierte von ihnen würde sich im Nachhinein lieber ein iPad anschaffen, ermittelten die Marktforscher von Changewave bei ihrer Befragung.

Für das iPad als Ebook-Reader sprechen eine Reihe von Gründen: Dazu zählt unter anderem der brillante Bildschirm. Er kann mehr als die reine Schrift darstellen. Farbige Buchcover, das elegante Umblättern von Seiten sowie hübsch anzusehende Fotos und Grafiken geben dem Leser mehr als die Konkurrenzprodukte das Gefühl, beinahe ein echtes Buch in Händen zu halten. Zudem kann man sich gut vorstellen, wie iPad-Bücher in Zukunft mit Musik oder integrierte Videos ergänzt werden. In vielen Verlagen wird überdies bereits daran gearbeitet, Online-Medien wie Zeitungen, Zeitschriften oder Videowebseiten für die Darstellung auf dem iPad zu optimieren.

Aus Verbrauchersicht zumindest ebenso wichtig wie das Look and Feel ist aber, dass mit dem iPad die Brücke zwischen den getrennten E-Book-Welten geschlagen werden kann. Bislang konnten Bücher, die für Amazons Kindle gekauft wurden, nicht auf einem Lesegerät mit dem konkurrierenden offenen E-Book-Standard ePub gelesen werden – und umgekehrt. Das iPad findet sich in beiden Welten zurecht. Apples Tablet-PC unterstützt ab Werk das ePub-Format, steht damit vor allem in Konkurrenz zum Sony-Reader PRS 600.

Zugleich sollen auf dem iPad direkt ab Marktstart alle iPhone-Apps laufen – und damit auch die Applikation zum Lesen von Amazon-Büchern für den Kindle. Die für das kleine Apple-Smartphone entwickelten Anwendungen werden dabei ohne Neuprogrammierung auf die Größe des iPad-Displays gespreizt. Über ein spezielles Entwickler-Kit lassen sich zugleich iPad-Apps programmieren, die die neue Display-Größe von fast zehn Zoll gezielt ausnutzen. In den USA hat Apple für seinen iBookstore bereits Kooperationen mit mehreren großen Verlagen geschlossen. Für Deutschland gibt es noch keine Ankündigungen.

Der enorme Funktionsumfang des iPad bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass die bisherigen E-Book-Reader – allen voran der Kindle und das Sony-Lesegerät – nun ohne Daseinsberechtigung dastehen. Denn die einfarbigen und nur wenig multimedia-freundlichem Displays dieser Geräte mit ihrer digitalen Tintentechnologie haben gegenüber dem iPad einen Vorteil: Sie verbrauchen Strom nur zum Umblättern der Seiten, sodass man selbst in einem zweiwöchigen Urlaub täglich mehrere Stunden lesen kann, ohne die E-Book-Reader aufladen zu müssen. Das iPad verlangt hingegen bereits nach zehn Stunden nach neuem Ladestrom.

Für Kindle und Sony-Reader spricht zudem der Preis. Apple gibt den US-Preis für das iPad in der WLAN-Version mit 16 Gigabyte Speicher mit unter 500 Dollar an. Wie teuer der Tablet-PC in Deutschland sein wird, gibt Apple erst im April bekannt. Es ist unwahrscheinlich, dass er zum reinen Umrechnungskurs von 366 Euro in den Handel gelangt. Der Preis des Sony-Readers PRS 600 ist bekannt: Mit 6-Zoll-Touchdisplay kostet er bei Libri.de 299 Euro. Der direkte Online-Kauf von Büchern wird anders als beim Kindle nicht unterstützt. Für den kleinen Kindle mit 6-Zoll-Display (nur über Amazon.com) müssen mit Zoll, Versand und Mehrwertsteuer rund 260 Euro bezahlt werden, der große Kindle DX mit 9-Zoll-Display kostet umgerechnet rund 470 Euro.

Als mobiles Lesegerät für digitale Bücher eignen sich zudem Smartphones wie das iPhone. Selbst mit Unterhaltungsgeräten wie der bei Kindern und Jugendlichen beliebten Nintendo-DS- Konsole kann gelesen werden. Parallel mit der neuen XL-Variante startete Nintendo gerade den Buchverkauf – mit einer Bibliothek deutscher Klassiker aus dem Hause dtv. Auch beim Vertrieb zeichnen sich interessante neue Varianten ab: Trekstor stellte auf der Cebit ein E-Book-Konzept vor, bei dem der Reader nur einen Euro kostet. Dafür muss – wie bei Handys – ein Abo mit einem Verlag zum Beispiel über eine Zeitung, Zeitschrift oder ein E-Book abgeschlossen werden.

Der Wettbewerb um den besten und erfolgreichsten Tablet-PC für das Wohnzimmer steht erst ganz am Anfang. Auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas hat Microsoft-Chef Steve Ballmer mehrere Prototypen von Couch-PCs vorgestellt. Marktbeobachter erwarten für die zweite Jahreshälfte ein iPad-Konkurrenzprodukt von Microsoft, das unter dem Namen „Courier“ verkauft werden soll. Mit seinem aufklappbaren Doppelbildschirm käme es einem herkömmlichen Buch sogar noch näher als das iPad und alle bisherigen E-Book-Reader. Mit seinen Touchscreen-Bildschirmen soll sich der „Courier“ zudem als digitale Schreibmappe einsetzen lassen. Das Schönste daran ist aber sicherlich, dass Lesen und Schreiben auch in Zukunft zu den wichtigsten Kulturtechniken gehören werden.

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