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Dachschaden: An der Decke im S-Bahnhof Brandenburger Tor klafft ein Loch.

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Vom Netz genommen (18): Vandalismus im U-Bahnhof: Ja ist denn schon Sommerloch?

Was ist relevant und was nicht? Leserinnen und Leser sehen das oft sehr unterschiedlich. Ein Plädoyer für mehr Toleranz in der Debatte - und für Kritik, die auch Argumente benennt. Diskutieren Sie mit!

Von Markus Hesselmann

Es ist ein bisschen wie zurückkehrende Zugvögel oder der erste Biergartenbesuch des Jahres: Die Bemerkungen, ein journalistischer Beitrag sei ja nur geschrieben worden, weil der Redaktion die Nachrichten, Themen oder Ideen ausgegangen seien, setzen inzwischen zuverlässig mit den ersten warmen Tagen des Frühjahrs ein. Aber sie ziehen sich dann auch durch bis mindestens Anfang Oktober. Der Expertenausdruck dafür lautet immer noch "Sommerloch", auch wenn der Begriff inzwischen die Jahreszeiten transzendiert, vielleicht derzeit noch mit Ausnahme des eisigen Berliner Winters.

Ich möchte mir in unserer Debattenkolumne heute die vorsichtige Frage erlauben, ob es die Debatte wirklich voranbringt, einfach nur "Gähn!" oder "Was soll der Quatsch?" oder "Und in China fällt ein Sack Reis um!" oder eben: "Ist denn schon wieder Sommerloch (wahlweise: Sauregurkenzeit)?" unter einen unserer Beiträge zu schreiben. Die Betonung liegt auf "einfach nur". Wenn jemand begründet, dass er in dem Fall journalistische Ressourcen für verschwendet hält, dafür Argumente anführt, Thesen ausführt, aus seiner Sicht Wichtigeres konkret benennt, über das wir nicht berichtet haben und worin die Ressourcen besser angelegt gewesen wären... Wenn also jemand diskutieren will und nicht sein Mütchen kühlen, dann ist das jederzeit hochwillkommen.

Es geht mir auch - bitte auf keinen Fall falsch verstehen! - hier niemals darum, etwa Kritik an unserer Arbeit nicht zuzulassen. Unsere Arbeit lebt auch von dieser, Ihrer Kritik, vielen Dank dafür! Aber Kritik lebt von Argumenten, von Austausch, von Lernfähigkeit auf allen Seiten.

Ein gutes Beispiel: "Eine kaputte Gipskartonplatte kostet inkl. Arbeit unter 100 €. Das sollte keinen eigenen Artikel wert sein", schreibt Leserkommentator "LarsG" zu unserem Bericht über das offensichtlich von Sachbeschädigern gerissene Loch in der Decke im S-Bahnhof Brandenburger Tor. Und weiter: "Sie dürfen auch gern mal in mein Viertel kommen, ich zeige Ihnen Sprühfarbe auf Hauswänden (sehr teuer zu entfernen), kaputte Fensterscheiben, zerschlagene Bierflaschen auf der Straße (Folgeschäden, Unfälle, Fahrradreifen kaputt!). Bitte TSP, konzentriert die Energie auf echte Probleme. Die Leser sind nicht so sediert, dass man ihnen nicht Ernsthaftes zumuten könnte. (Bin ich zu naiv?)"

Nein, Sie sind weder naiv noch sediert, lieber Leserkommentator, und Ihr Beitrag ist hochwillkommen, denn er nennt Argumente und führt seine These aus, geradezu vorbildlich! Man kann ihn allerdings auch als Plädoyer für die Relevanz des von Ihnen verworfenen Beitrags lesen. Denn sprechen nicht gerade die vielen von Ihnen angeführten Fälle dafür, wie drängend das Problem Vandalismus in Berlin tatsächlich ist? So wäre das Loch in der U-Bahnhof-Decke eben keine Anekdote, die man vernachlässigen kann, sondern ein übergreifendes Beispiel, noch dazu im Zentrum der Stadt. Und haben nicht Berichte über konkrete Vorfälle womöglich mehr Wirkung als abstrakte Zusammenfassungen? Ideal ist es natürlich, beides zu verbinden. Und so wäre selbstkritisch zuzugeben, dass unserem Beitrag eine noch stärkere Verallgemeinerung durchaus gut getan hätte, über den einordnenden Satz hinaus: "Jährlich muss die Bahn wie auch die BVG Millionensummen aufbringen, um Vandalismusschäden zu beseitigen." Dass wir uns aber mit dem Thema durchaus übergreifend beschäftigen, belegt zum Beispiel ein Leitartikel über Verwahrlosung und Bürgerengagement, den ich unlängst schreiben durfte.

Auch andere Leserkommentatoren wollen nicht einfach hinnehmen, dass hier ein Beitrag für irrelevant erklärt wird. "Nein, das ist KEINE Lappalie... ...sondern symptomatisch für diese als kollektiver Fußabtreter missbrauchte Stadt", antwortet "andreasfink" direkt auf "LarsG". Und hierin liegt für mich der Hauptpunkt, über den ich Sie bitten möchte, beim Kommentieren besonders nachzudenken: Warum sollten sich unsere Leser dafür rechtfertigen müssen, dass sie ein Thema interessiert? Und warum denken andere Leser, dass sie vorgeben können, was zu interessieren hat? Vielleicht wäre da ein bisschen mehr Toleranz möglich, nicht mit Blick auf uns Journalisten, sondern mit Blick auf andere Leser. Ich bin zuversichtlich, dass es auf Tagesspiegel.de ein Angebot gibt, das breit gefächert genug ist, damit auch an "Ernsthaftem" oder "echten Problemen" interessierte Leser etwas finden, wie auch immer dieses "Ernsthafte" oder diese "echten Probleme" jeder einzelne für sich definiert.

Vielleicht könnte es sinnvoll sein, Leserkommentare in diesem Sinne strenger zu moderieren. Zum Beispiel nur noch Beiträge freizuschalten, die für Behauptungen auch das eine oder andere Argument nennen.

Aber was meinen Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser? Sind meine Argumente überzeugend oder sind Sie ganz anderer Ansicht? Haben wir zu viel aus Ihrer Sicht Irrelevantes auf unserer Seite? Und was wären relevante Themen für Sie, die wir womöglich vernachlässigen? Halten Sie zum Beispiel Vandalismus in Berlin für ein relevantes Thema? Oder eher nicht? Warum/Warum nicht? Und wie denken Sie über unseren Umgang mit Leserkommentaren? Sollten wir bei der Moderation mehr Wert auf Argumente legen? Wäre in diesem Sinne womöglich sogar eine strengere Moderation angebracht? Kommentieren und diskutieren Sie mit! Bitte nutzen Sie dazu die einfach zu bedienende Kommentarfunktion etwas weiter unten auf dieser Seite.

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