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Das Eröffnungspodium der Medienwoche begrüßte die öffentlich-rechtlichen Sparankündigungen. Erstaunlich nah beieinander: Der Blogger Sascha Lobo (2.v.l.) und Dagmar Reim (3.v.l.), Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg. Foto: Medienwoche/Uwe Völkner/Fox

© Fotoagentur FOX / Uwe Všlkner

Diskussion: Weniger ist mehr

Auf der Medienwoche macht der öffentlich-rechtliche Rundfunk Zugeständnisse. RBB-Intendantin Dagmar Reim sagt: „Wir werden in Zukunft weniger machen.“

Die BBC als Vorbild für den Rundfunk in Deutschland – das gab es schon einmal, als im Nachkriegsdeutschland ein staatsfernes Rundfunksystem aufgebaut werden musste. 60 Jahre später blicken wieder viele Menschen nach England, wenn sie die Zukunft des Rundfunks in Deutschland suchen. Denn die BBC hat bereits ein Konzept gefunden, um auf die Fragen zu reagieren, die Politiker, Medienmanager und Intendanten hierzulande seit Monaten diskutieren: Wie weit dürfen sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten im Netz ausbreiten? Wie müssen diese ihren Versorgungsauftrag im Internetzeitalter definieren?

Die Antwort kam am Montag per Videoschaltung via Skype auf die Eröffnungsdiskussion der Medienwoche auf der Internationalen Funkausstellung (IFA). Sie lautete: „Less is more“ – weniger ist mehr. BBC-Geschäftsführerin Caroline Thomson sprach von Etatkürzungen im Onlinebereich, Schließungen von Radiosendern, Stellenstreichungen und Kooperationen. Schmerzhaft sei das zum Teil, aber zielführend, weil die BBC sich so auf die Kernaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konzentrieren könne.

Das auf den ersten Blick Überraschende ist: Auf der anschließenden Podiumsdiskussion konnten sich grundsätzlich alle Teilnehmer mit dem Gedanken anfreunden, dass diese Kürzungsstrategie auch für ARD und ZDF ein Zukunftsmodell sein könnte – auch RBB-Intendantin Dagmar Reim: „Wir werden in Zukunft weniger machen“, sagte sie. Weniger Angebot, dafür aber mehr Qualität. Die Beratungen in der ARD liefen derzeit. In zwei bis drei Monaten werde man konkret sagen können, an welchen Stellen ausgedünnt werden soll.

Genau das ist ein höchst umstrittener Punkt. Vertreter der Privatsender möchten, dass ARD und ZDF in der Breite ihres Fernsehprogramms sparen. Stefan Aust, der im Juni mit einer Investorengruppe den Nachrichtensender N24 gekauft hat, stellte in Frage, ob ein Sender wie Phoenix noch nötig sei, wenn es ein so umfangreiches Angebot wie tagesschau.de gebe. Tobias Schmid, RTL-Bereichsleiter Medienpolitik, kritisierte, dass bei den Öffentlich-Rechtlichen oft nur Kopien privater Programme zu sehen seien.

Die Verlage sehen – naturgemäß – Textportale wie tagesschau.de gerne weiter schrumpfen, auch nachdem die Sender im Zuge der gerade absolvierten Drei-Stufen-Tests zum Teil bis zu 80 Prozent ihrer Online-Inhalte löschen mussten. Das Problem dabei: Dem Gebührenzahler ist es schwer zu vermitteln, dass er für sein Geld im Internet immer weniger Inhalte bekommt. Gerade mit Blick auf die Zukunft sei es fatal, wenn sich ARD und ZDF im Netz nicht entfalten könnten, sagte Sascha Lobo, den Frank Thomsen, stern.de-Chefredakteur und Moderator der Diskussion, als „Klassensprecher des Internet“ vorstellte. Der Blogger schlug sich in der Runde auf die Seite der normalen Gebührenzahler, vor allem aber der Generation der so genannten „Digital Natives“, die Informationen vor allem online konsumieren.

Lobo beklagte, dass dieser Teil der Gebührenzahler der Inhalte beraubt werde, wenn sie im Netz nicht zugänglich seien. Ein neues Mediennutzungsverhalten erfordere auch „neue Mechanismen in der Gewährleistung der Grundversorgung“. Die Verlage würden vor allem gegen die Netzpräsenz der Anstalten wettern, weil sie es verschlafen haben, ein Refinanzierungsmodell für Online-Inhalte zu finden. Ähnlich argumentierte Dagmar Reim: „Kein Verleger verdient einen Euro mehr im Netz, weil wir löschen.“

Trotzdem, die ARD wird die eine Million Dokumente nicht zurückbekommen, die sie in den vergangenen Monaten aus ihrem Online-Bestand gelöscht hat. Die Drei-Stufen-Tests sind abgeschlossen, die Anstalten müssen sich an die Vorgaben der Rundfunkräte halten. Streiten wird man um das Thema aber weiterhin. Denn wie weit der Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen in das Internet hineinreicht, ist nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Immerhin ist die Debatte derzeit nicht so überhitzt wie noch vor einigen Wochen, sondern deutlich sachlicher. Das hat die Eröffnung der zweitägigen Medienwoche gezeigt. Das Branchentreffen ist eines der größten in Europa, sein Motto lautet: „Where Content Meets Technology“. Mehr als 2000 Teilnehmer nähern sich in 18 Gesprächsrunden Themen wie den Strategien sozialer Netzwerke, dem Verhältnis von Paid Content und Gratiskultur im Internet oder Urheber- und Leistungsschutzrechten an.

Christian Helten

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