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Daria Gomelskaia, 27, aus Pankow studiert Slawische Sprachen und Literaturen.

© Mike Wolff

Diversity: „Ich möchte als Journalistin mitgestalten“

Migrationshintergrund erwünscht – drei Böll-Stipendiatinnen erzählen.

Es ist ein tolles Gefühl für Nursemin Sönmez, wenn Mitarbeiter von Journalistenschulen in ihrem Büro anrufen und fragen, ob es bei ihr interessierte Nachwuchskräfte gebe. „Der Bedarf ist offenbar da“, sagt Sönmez, Projektleiterin des Stipendiatenprogramms „Medienvielfalt, anders“ der Heinrich Böll Stiftung. Dessen Ziel ist es, mehr Journalisten mit Migrationshintergrund in die Medienwelt zu bringen.

Bislang sei deren Anteil in den Redaktion verschwindend gering, sagt Sönmez. „Es wird von etwa zwei Prozent ausgegangen.“ In den Printmedien sind es noch weniger. Das soll sich mit dem Programm ändern. „Medien schaffen öffentliche Meinung. Daher ist es unheimlich wichtig, wer daran beteiligt ist“, sagt Sönmez.

2008 hat die Stiftung das Programm mit der Tageszeitung „taz“ ins Leben gerufen, mit dem sie Studenten durch finanzielle Mittel sowie Seminare, Diskussionsrunden, Studienreisen und Vorträge zum Thema Journalismus fördert. Dabei werden sämtliche Medien berücksichtigt, vom Radio- bis zum Online- oder Crossmedia-Journalismus. Auch vom Netzwerk und den Beratungsmöglichkeiten können die Stipendiaten profitieren.

Zu den Kooperationspartnern gehört seit zwei Jahren auch der Tagesspiegel, im Sommer werden Stipendiaten bei einem Workshop im Verlagshaus eine Beilage mitgestalten. Seit Beginn des Programms hat die Stiftung insgesamt 53 Stipendiaten aufgenommen. Von den 19 Alumni haben sechs den Einstieg in den Journalismus geschafft. Dazu gehört auch Mohamed Amjahid, der seit April als Volontär in der Tagesspiegel-Redaktion arbeitet. Weitere vier Alumni des Programms sind in anderen Unternehmen in den Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gegangen.

Zweimal im Jahr, zu März und September, nimmt die Böll-Stiftung neue Stipendiaten auf. Die Voraussetzungen, die diese mitbringen müssen, sind anspruchsvoll. Neben der Migrationsgeschichte werden hervorragende Schul- beziehungsweise Studienleistungen gefordert, erste journalistische Erfahrungen und gesellschaftliches Engagement. Gerade in einem solch jungen Alter ist das keine Selbstverständlichkeit. „Nicht jeder ist in jungen Jahren so zielstrebig und hat bereits eine klare Vorstellung vom Berufswunsch“, sagt Sönmez. Natürlich werde niemand auf den Journalismus festgenagelt. Dennoch müssen die Bewerber glaubhaft vermitteln, dass sie ein hohes Interesse am Berufsbild des Journalisten haben. Wenn sie dann vom Stipendiatenprogramm unter die Fittiche genommen werden, stehen die Chancen ziemlich gut – und die Journalistenschule öffnet möglicherweise bald ihre Türen.

Daria Gomelskaia: "Mit vier Jahren bin ich nach Berlin gekommen"

„Einen Hang zum Schreiben hatte ich schon immer. Als ich 2011 für ein Jahr bei einer Menschenrechtsorganisation in Russland gearbeitet habe, habe ich in einem Blog von meinen Erlebnissen berichtet und kleinere Artikel für die Organisation geschrieben. Besonders gefreut habe ich mich über die Anfrage der Grünen Jugend, für ihr Magazin einen Text über Homophobie in Russland zu schreiben. Am Ende dann das gedruckte Exemplar in der Hand zu halten, war ein tolles Gefühl.

Mit vier Jahren bin ich mit meinen Eltern nach Berlin gekommen. Zuvor haben wir in der Ukraine gelebt. Natürlich bin ich keine Ukraine-Expertin, nur weil ich dort geboren wurde. Dennoch habe ich durch mein Auslandsjahr in Russland und mein Studium einen starken Osteuropa-Bezug und könnte mir vorstellen, als Journalistin darüber zu berichten. Auch wenn die beruflichen Aussichten für Journalisten eher schwierig sind: Ich habe mich nie an der größten Sicherheit orientiert, sondern daran, was mich begeistert. So vertraue ich darauf, dass ich meinen Platz schon finden werde.“

Erica Zingher: "Ich bin in Moldawien geboren"

Erica Zingher, 21, aus Treptow studiert Europäische Ethnologie.
Erica Zingher, 21, aus Treptow studiert Europäische Ethnologie.

©  Mike Wolff

„Wo ich als Journalistin einmal hin möchte, weiß ich noch nicht genau. Durch mein Studium verändert sich auch ständig mein Interesse. Gerade reizen mich Printmedien und Radio – aber wer weiß, vielleicht habe ich in einem Jahr Lust auf Film. Jedenfalls möchte ich mit meiner Arbeit die Gesellschaft mitgestalten. Als Schülerin habe ich schon für die Schülerzeitung geschrieben. Später habe ich an journalistischen Workshops teilgenommen, zum Beispiel bei den Jugendmedientagen.

Ich bin in Moldawien geboren. Als ich zwei Jahre alt war, bin ich mit meiner Familie nach Würzburg gezogen. Seit zwei Jahren lebe ich in Berlin. Viel zu oft habe ich das Gefühl, dass Leute sich eine Meinung über andere Menschen bilden und über sie berichten, ohne überhaupt mit ihnen gesprochen zu haben, etwa bei der Berichterstattung über den Flüchtlingsprotest in Berlin. Das möchte ich gerne anders machen.

Mein nächstes Ziel ist, mich als Praktikantin beim rbb zu bewerben – ein Kurs des Stipendiatenprogramms zum Sprechtraining hat mich so begeistert, dass ich jetzt gerne mehr zum Radiomachen lernen will.“

Jasmin Astaki-Bardeh: "Mein Vater ist aus dem Iran ausgewandert"

Jasmin Astaki-Bardeh, 22, aus neukölln studiert Kultur und Sozialwissenschaften.
Jasmin Astaki-Bardeh, 22, aus neukölln studiert Kultur und Sozialwissenschaften.

© Mike Wolff

„Neben meinem Studium an der Humboldt-Universität studiere ich Dokumentarfilmregie an der Filmarche in Kreuzberg. Ich habe früh angefangen, mich politisch zu engagieren und möchte das Medium Dokumentarfilm nutzen, um komplexe politische Themen zu erzählen.

Mein Vater ist in den 80er Jahren als Oppositioneller aus dem Iran nach Deutschland ausgewandert. Ich bin in Köln aufgewachsen und vor drei Jahren nach Berlin gezogen. Dort habe ich zunächst in einem iranisch-afghanischen Flüchtlingsverein gearbeitet. Diese Arbeit, die ich zum Teil mit der Kamera begleitet habe, hat mich für die Alltagsprobleme der Geflohenen sensibilisiert.

Wenn ich im Iran meine Familie und Freunde besuche, verblüfft es mich immer, wie die Leute dort leben und wie anders hier darüber berichtet wird. Wie vielfältig etwa die Musikszene des Irans ist, weiß in Deutschland kaum einer. Deshalb möchte ich in meiner Arbeit auch die Geschichten und Perspektiven aus der Zivilgesellschaft anderer Länder erzählen. Nur so kann man Vorurteilen begegnen.“

www.boell.de/de/stiftung/journalismus

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