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Medien: Doktorspiele

Eckart von Hirschhausen, von Beruf Arzt, macht Comedy über Medizin – heute in einer eigenen ZDF-Show

Die Nummer eins zu sein, ist nicht gesund. Sagt Eckart von Hirschhausen. Egal, worum es geht. Erstens braucht man Kraft, an die Spitze zu kommen, und zweitens hat man ständig Angst, es plötzlich nicht mehr zu sein. Die Nummer zwei ist besser. Der historische Beweis: „In der Geschichte der USA wurde noch nie ein Vizepräsident erschossen.“

Eckart von Hirschhausens Weltsicht ist simpel. Er teilt das Leben in gesund und ungesund auf. Heute Vormittag ist das nicht anders, da kauert er im Sessel einer Berliner Hotellobby. Gesund: der Kamillentee vor ihm. Ungesund: die Kohlenhydrate, die sich die Frau gegenüber in Plätzchenform einverleibt. „Ich kann nicht anders. Es steckt tief in mir drin.“ Er verdient sein Geld damit: zu sagen, was gesund ist und was schadet. Und daraus Kabarett zu machen. Seit 15 Jahren scherzt er über Gesundheit, Medizin, Krankheit, Tod. Das interessiere jeden, sagt er. Nun, nicht ganz. Der Comedy-Boom der letzten Jahre hat aber andere Namen ganz nach vorne gespült.

Am Vorabend hat das ZDF seine Show „Glücksbringer“ aufgezeichnet. Wie war’s? Großartig, sagt er, 45 Minuten Sendelänge seien ein Geschenk.

Normalerweise müssen sich Comedians mit fünf Minuten zufrieden geben. Viel zu kurz für die vielen Ideen in seinem Kopf. In „Glücksbringer“ gibt von Hirschhausen Psychotipps für ein glücklicheres Leben. Und behauptet im Ernst, seinen Zuschauern „mehr brauchbare Ratschläge zu geben als zwei Meter Selbsthilfebücher“. Zum Beispiel: Sucht nicht nach vierblättrigen Kleeblättern! Wer sein Glück an seltene Dinge bindet, darf sich nicht beschweren, dass er so selten glücklich ist. Und ob eine schwarze Katze von links dein Leben verändert, hängt nur von einer zentralen Frage ab: Bist du Mensch oder Maus? Natürlich rät der Komiker auch, sich mit Optimisten zu umgeben. Gut, das kann man in Klassikern wie „Sorge Dich nicht, lebe!“ auch nachlesen. Von Hirschhausen besticht dadurch, wie er diese Menschen definiert: „Das sind Leute, die Sudoku-Rätsel mit dem Kugelschreiber ausfüllen.“ Sein Ziel: Schmunzler statt laute Kracher, „Haha-Erlebnisse mit Aha-Ergebnissen“.

Der Mann ist im ersten Beruf zwar kein Psychologe, sondern Arzt. Erst ein Studium in Berlin und London, dann Promotion mit magna cum laude. Dann zwei Jahre Kinderneurologie. „Weiße Periode“ nennt er diese Zeit heute.

Das Kabarett hat ihm wohl mehr Spaß gemacht als der Klinikalltag. Obwohl er als „Comedian“ neueren Schlags von Natur aus benachteiligt ist. Andere haben ihr Aussehen: Kalle Pohl ist der Kleine, Bernhard Hoëcker der noch Kleinere, Mike Krüger und Ingolf Lück haben ihre Nasen. Solche Gestalten kann man sich merken. Eckart von Hirschhausen sieht in jeder Beziehung normal aus, da ist kein Körperteil, das nach Witzen schreit. Nicht mal einen albernen Sprachfehler kann er vorweisen.

2004 wird er Gagschreiber für „7 Tage, 7 Köpfe“. Die Show, in der Comedians Dialoge vom Spickzettel ablesen. Kalle Pohl lacht über Mike Krügers Nase, der revanchiert sich mit einem Zwergenwitz.

Wie kann einer, der Loriot und die Neue Frankfurter Schule verehrt, in so einer Show glücklich werden? Das habe er gar nicht lange gemacht, sagt er, nur so ein halbes Jahr. Und mehr als Übung.

Die meisten seiner Gagvorschläge wurden übrigens abgeschmettert – Begründung: zu verkopft. Von Hirschhausen versuchte sich anzupassen. Zum Beispiel mit dem hier: „Autos sind Phallussymbole. Kein Wunder, dass sich der Smart so schlecht verkauft. Wer will schon ein Phallussymbol, das quer in jede Parklücke passt?“ Nein, peinlich ist ihm das heute nicht. Aber die Zeit als Gagschreiber für Wissensshows wie Knoff-Hoff hat ihm besser gefallen. Für einen „naserümpfenden Intellektuellen“ soll man ihn auf keinen Fall halten. Und Fließband-Comedy lehnt er nicht grundsätzlich ab. Denn Lachen – so hat er im Studium gelernt – ist und macht gesund. Also hat jeder, der andere zum Lachen bringt, per se eine Daseinsberechtigung. „Außerdem wäre ich schön blöd, wenn ich Einladungen in große Shows ausschlagen würde.“ Das sei nun mal „Teil des Spiels und ein Privileg, zu so vielen Zuschauern sprechen zu dürfen.“ Dafür schraubt er das Gag-Niveau gerne etwas runter. Während der WM durfte er Gast bei „Nachgetreten“ im ZDF sein. Da kommentierte er mit Ingolf Lück und anderen Comedians Fußball-Geschehen, da gab es Gags über Ronaldos Hoden und Schweinsteigers Sex. Und von Hirschhausen? Blieb bei Ballacks Wadenverletzung.

Wurmt es ihn nicht, dass Krawall-Komiker auf allen Sendern laufen? Dass andere die größeren Karrieren gemacht haben? „Nee“, sagt von Hirschhausen, „wie gesagt: keine Attentate auf Vizepräsidenten.“ Und wer seine Gastauftritte in großen Shows sehe, besuche vielleicht seine Bühnenshow und bekomme da die volle Ladung Medizinkabarett ab. Zum Beispiel die Geschichte mit den Neurotransmittern: der ewige Kampf der Botenstoffe Dopamin und Serotonin. Aufreger gegen Beruhiger. Zum Schreien komisch, wenn von Hirschhausen beide Parteien in die Schlacht ziehen lässt. In der Fernsehfassung ist das heute Abend nicht zu sehen. Das ZDF hat die Szene herausgeschnitten.

„Dr. Eckart von Hirschhausen – Glücksbringer“, ZDF, 23 Uhr

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