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Doku: Als der Bundestag grün wurde

Die ARD-Doku erinnert an den historischen Moment, als die Grünen im März 1983 ins deutsche Parlament einzogen. Die Männer strickten, und Helmut Kohl fühlte sich körperlich unwohl.

Doch, doch, Otto Schily war mal ein Grüner. Er saß in der zweiten Reihe, als die erste Grünen-Fraktion im März 1983 im Bundestag Platz nahm. Vor ihm zwei Frauen: Petra Kelly und Marieluise Beck. Neben ihm, dem Rechtsanwalt in Schlips und Anzug, vollbärtige Männer in Strickpullovern. Den etablierten Parteien war dieser bunte Haufen suspekt. „Kohl konnte man das körperliche Unbehagen ansehen, wenn Grüne in der Nähe waren“, erinnert sich Schily, der 1989 zur SPD wechselte und in der rot-grünen Regierungszeit Bundesinnenminister war. 30 Jahre später ist es nicht viel mehr als eine Binse, wenn Annette Zinkant in ihrem Film „Geliebte Gegner“ zu dem etwas blumigen Schluss kommt: „Einst kämpften sie für ihre Ideale, besetzten Straßen, Häuser, Herzen. Heute sind sie eine ganz normale Partei.“ Wobei bemerkenswert ist, dass „eine ganz normale Partei“ nach Ansicht der Autorin offenbar nicht für Ideale kämpft.

Korrumpiert der Wunsch zu regieren, der Drang zur Macht? Oder sind all die Kompromisse einfach notwendig, um wenigstens das Machbare durchzusetzen? Die Grünen sind nicht die Einzigen, die diese politischen Gretchenfragen beantworten müssen. Aber sie waren die Ersten, lange vor den Piraten, die als bewusster Gegenentwurf, als Anti-Partei, in den Bundestag einzogen. Insofern liefern sie ein wichtiges politisches Lehrstück.

Autorin Zinkant blickt, ohne mit neuen Erkenntnissen oder mutigen Pointen zu überraschen, auf die vergangenen drei Jahrzehnte zurück. Auf die kuriosen parlamentarischen Anfänge, auf den Kampf zwischen Realos und Fundis, auf den dicken und den dünnen Joschka Fischer, auf die Tragödie um Petra Kelly und Gert Bastian, auf den Streit um die Kriegsbeteiligungen im Kosovo und in Afghanistan sowie den rot-grünen Atomkompromiss. Neben Schily, Beck, Roth und Kerstin Müller, der ehemaligen Staatsministerin im Auswärtigen Amt, kommen noch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Fraktionschef Jürgen Trittin und der Berliner Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele zu Wort. Und als einzige Stimme von außen „FAZ“-Redakteur Günter Bannas.Thomas Gehringer

„Geliebte Gegner“; ARD, 22 Uhr 45

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