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Doku: Das Chamäleon im Kreml

"Ein Dieb gehört ins Gefängnis. Sind Sie da anderer Meinung?“: Hubert Seipels spannendes Putin-Porträt stimmt auf die Präsidentschaftswahlen in Moskau ein.

Wladimir Putin schüttelt sich beinahe, so fröhlich sieht man den starken Mann Russlands in der Öffentlichkeit selten. „Sie haben mich zum Lachen gebracht, Gott segne Sie. Zum Ende eines Arbeitstages tut das gut“, sagt er zu ARD-Reporter Hubert Seipel. Putins Ausgelassenheit wirkt allerdings aufgesetzt. Seipel hatte ihn mit der Rechtfertigung der Nato konfrontiert, das in der Nähe der russischen Grenze installierte Abwehrsystem richte sich gegen den Iran. Putin, jetzt wieder ernst, weist darauf hin, dass Raketen und Radar das Territorial bis zum Ural abdecken und einen Teil der russischen Nuklearwaffen neutralisieren würden. „So macht man das doch nicht“, lautet via ARD seine Botschaft an den Westen.

Grimme-Preisträger Seipel, der zuletzt Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann porträtiert hatte, knöpft sich mit Putin ein weiteres Alphatier vor. Eines, das verunsichert sein könnte durch die wachsende Opposition im Land. Am kommenden Sonntag, den 4. März will sich Putin zum dritten Mal zum Präsidenten Russlands wählen lassen. Die schwachen Umfragewerte, die Demos und die Kritik lassen den ehemaligen Geheimdienstchef angeblich nicht kalt. „Es ist persönlich“, lässt Seipel aus dem Off kommentieren. Wie persönlich, kann man seinem Porträt allerdings nicht entnehmen. Putin, der einst in der DDR stationiert war und hier einige Brocken Deutsch spricht, hat den Reporter dicht an sich herangelassen – und auch wieder nicht.

Seipel begleitete Putin über Wochen, das ist bemerkenswert genug. Er sitzt neben ihm im Dienstwagen, wo ihm Putin wie ein Fremdenführer zeigt, wo der Kreml steht. Er fliegt mit ihm in der Präsidentenmaschine, filmt ihn bei offiziellen Terminen und in der Freizeit, beim Sport. Putin als unsicherer Eishockeyspieler in einer leeren Vorstadthalle. Putin als Judoka bei seinem Heimatklub in St. Petersburg. Putin als Schwimmer allein im Pool. Der Sport ist eine wichtige Kraftquelle dieses Mannes geblieben, der sich als Junge aus einer Arbeiterfamilie vom KGB-Agenten in der Sowjetunion an die Spitze des neuen Staates emporgearbeitet hat. Als er sich Ende der 90er Jahre im Kreml zum Nachfolger von Boris Jelzin entwickelte, hätten die Oligarchen im Land uneingeschränkt das Sagen gehabt, sagt Putin. „Der Staat war schwach. Ich wollte schlicht und einfach für Ordnung sorgen.“ Auf den inhaftierten Oligarchen und politischen Gegner Michail Chodorkowski angesprochen, wird er ein bisschen grob. „Ein Dieb gehört ins Gefängnis. Sind Sie da anderer Meinung?“

Auch Tschetschenien und die Pressefreiheit schneidet Seipel an, die Opposition und ihren Protest gegen die Korruption dagegen erstaunlicherweise nicht. Putin gibt sich ohnehin keine Blöße, er wirkt bei kritischen Fragen beherrscht, unaufgeregt. Hätte Russland im Fall Tschetscheniens Schwäche gezeigt, hätte es eine unendliche Folge von blutigen Lokalkriegen gegeben, ein zweites Jugoslawien, behauptet er. Seipel schneidet zwischen die Bilder einer Militärparade in Moskau Aufnahmen vom umkämpften Grosny. Auch sonst versteht er es, mit gut ausgewählten Archivausschnitten das Bild vom unscheinbaren, disziplinierten, im Zweifel hart auftretenden Machtpolitikers abzurunden. „Wenn Putin vor einer Tapete sitzt, könnte er im Zweifel auch die Farbe der Tapete annehmen, um Normalität zu signalisieren“, sagt der Autor. Putin, das Chamäleon? Seine Freunde und Weggefährten beschreiben ihn als extrem loyal, auch als jemanden, den man besser nicht verrät, betrügt oder beleidigt. „So etwas vergisst er nicht“, sagt Ex-Ministerpräsident Sergej Stepaschin.

Was seine Gegner über Putin sagen, erfährt man anschließend, in „Götterdämmerung im Kreml? Opposition gegen Putin“, einem Film der Moskauer ARD-Korrespondenten Ina Ruck und Georg Restle. Überhaupt beginnt die verschärfte mediale Einstimmung auf die Präsidentschaftswahlen. 3sat startet am Sonntag mit der Wiederholung der „ZDFzoom“-Reportage „Zarendämmerung – Risse im System Putin“ eine eher dünne Themenwoche. Arte steuert am Dienstag einen Themenabend mit drei Dokumentarfilmen bei, unter anderem einen Film über die neue Opposition.

„Ich, Putin – Ein Porträt“, ARD, Montag, 22 Uhr 45; „I Love Democracy: Russland “, Arte, Dienstag, 20 Uhr 15

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