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Biedermann und Brandstifter. Adolf Eichmann (Herbert Knaup) sieht sich als gehorsamer Befehlsempfänger, andererseits als Mann von Bedeutung. Einer, der es schaffte, Millionen Juden in den Tod zu transportieren. Foto: Marion von der Mehden/NDR

© ddp

DOKUDRAMA: Der Menschenvernichter

Der ARD-Film "Eichmanns Ende" zeigt, wie der Judenmörder an seinem Fluchtort Buenos Aires gedacht und gelebt hat. Und wie der Mossad ihn nach Israel bringen konnte. Das Dokudrama setzt vor allem auf die entlarvende Funktion der Sprache.

Von der oft zitierten „Banalität des Bösen“ sprach Hannah Arendt in ihrem Buch „Eichmann in Jerusalem“. Davon, dass selbst noch im spießigst anmutenden Biedermann ein Biest stecken kann, ein bestialischer Massenmörder gar. Adolf Eichmann (1906–1962) war solch ein vermeintlicher Spießbürger. Er war im NS-Reich als SS-Obersturmbannführer mitverantwortlich für die Organisation der Judendeportationen in die Konzentrationslager, für deren logistische Planung und reibungslose Durchführung. Ein Planer, ein Technokrat. Einer, der sich später in Gesprächen und Verhören als Unschuldiger, als gehorsamer Befehlsempfänger stilisiert, andererseits aber auch als Mann von Bedeutung: „Ich war kein normaler Befehlsempfänger, dann wäre ich ja ein Trottel gewesen. Sondern, ich habe mitgedacht, ich war ein Idealist gewesen.“

Das komplexe Dokudrama „Eichmanns Ende“, bei dem Raymond Ley für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnet und das von der ARD als Highlight des Fernsehjahres 2010 angekündigt ist, widmet sich einem dunklen und weniger bekannten Kapitel deutscher Geschichte: wie und wo Adolf Eichmann vom israelischen Geheimdienst entdeckt und schließlich der israelischen Justiz übergeben werden konnte, die ihm dann den Prozess mit Todesurteil gemacht hat. Leys Fokus liegt auf jenen 1957 in Eichmanns Fluchtpunkt in Buenos Aires geführten Tonbandgesprächen, die der niederländische Journalist und SS-Mann Willem Sassen mit ihm führte. Gespräche, an denen Sassen verdiente, die später in den USA und in der Bundesrepublik veröffentlicht wurden.

„Hätten wir 10,3 Millionen Juden getötet, dann wäre ich befriedigt und würde sagen, gut, wir haben einen Feind vernichtet.“ Der Film verwendet die Originaldialoge zwischen Eichmann und Sassen. Herbert Knaup unternimmt den diffizilen Versuch, Eichmanns Denken und Sätze in eine Körpersprache zu übersetzen, diese originären Texte einzusprechen, ohne sie dabei zu überhöhen oder zu verfremden. Sassen wird von Ulrich Tukur gespielt, kühl und distanziert, fraternisierend und sympathisch. Dazwischen ist dokumentarisches Material montiert, werden Berichte von Zeitzeugen eingefügt, etwa vom Leiter der Mossad-„Operation Eichmann“, Rafi Eitan, oder Sassens Tochter Saskia.

Dass Eichmann auffliegt, liegt nicht an Sassen, sondern an einer Beziehung seines Sohnes Nick (Johannes Klaußner) mit Silvia Hermann (Henriette Confurius), der Tochter des Juden Lothar Hermann (Michael Hanemann), dessen Familie von den Nazis ermordet wurde. Durch Silvias Erzählungen wird der Vater hellhörig und informiert Hessens Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Axel Milberg) in Frankfurt, der sich der strafrechtlichen Verfolgung ehemaliger Nazis verschrieben hat. Doch zunächst will niemand recht glauben, dass es sich um den wahren Adolf Eichmann handelt, der dort unerkannt in Buenos Aires in ärmlichen Verhältnissen lebt. Selbst der von Fritz Bauer eingeschaltete israelische Geheimdienst Mossad hat Zweifel. Erst, als Silvia in der Haustür Nicks Vater gegenübersteht, wird klar, dass das Eichmann ist.

Am 11. Mai 1960 wird Eichmann vom Mossad in Buenos Aires entführt und nach Israel gebracht. Dort wird ihm der Prozess gemacht, ein Prozess, der weltweite Aufmerksamkeit erfuhr. In Eyal Sivans Dokumentarfilm „Ein Spezialist“ (1998) sind die Prozess-Szenen in beklemmender Ausführlichkeit zu sehen. Die schwarz-weißen Dokumentaraufnahmen, die Eichmann in der Glaszelle im Gerichtssaal zeigen, gehören zum kollektiven Bewusstsein. Am 1. Juni 1962 wird Eichmann bei Tel Aviv durch den Strick hingerichtet. Dies wird in Leys Dokudrama nicht gezeigt, jedoch in einer Spielsequenz angedeutet, als Eichmanns Frau Vera (Cornelia Kempers) ihren Mann im Gefängnis Ramleh besucht und dieser sich auf ihre Bitte hin einmal auf den Stuhl stellt, damit sie ihn hinter der Glasscheibe ganz sehen könne. Da hat es für Momente den Anschein, als ob Eichmann hänge – das letzte Bild des Filmes.

Pikante Schlussnotiz: Sowohl der US-amerikanische Geheimdienst CIA als auch der Bundesnachrichtendienst wussten mindestens seit 1958 vom argentinischen Aufenthaltsort Adolf Eichmanns.

„Eichmanns Ende“, ARD, Sonntag, 25.07., 21 Uhr 45

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