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Dokumentarfilm: Wenn Dörfer wandern

Der Film „Otzenrath 3° kälter“ von Jens Schanze erzählt die Geschichte einer Dorfumsiedlung am Niederrhein. Otzenrath verschwindet für das Braunkohlerevier „Garzweiler II“, um wenige Kilometer weiter als Neu-Otzenrath wiederaufgebaut zu werden.

Der Dokumentarfilm ist eine Fortsetzung des „Otzenrather Sprungs“ von 2000. Damals dokumentierten Schanze und sein Kameramann Börres Weiffenbach das letzte Jahr, das die Otzenrather in ihrem 700 Jahre alten Dorf verbringen konnten. Bilder von damals werden mit Bildern vom neuen Otzenrath verwoben, alles unter der großen Frage: Birgt der neue Ort Heimat wie der alte?

Während der Direktor von „Garzweiler II“ im Schlagschatten der Kühltürme und Megabagger jubelt: „Gratulation an Sie alle. Sie haben ein todschickes, neues Dorf!“, sind die Stimmen der Bewohner leiser, die der alten sind gar belegt. Mit dem Unterpflügen des Dorfes ist auch die – ja, hier passt das geschundene Wort – Seele von Otzenrath unter den Bagger gekommen. Wege, Häuser, Menschen, Beziehungen, Gewohnheiten haben sich für die verändert, die es nicht verändert sehen wollten.

Aber der Fortschritt, die Energiesicherheit! Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt: „Der Energieträger Braunkohle ist für Deutschland einer der ganz wesentlichen Energieträger.“ Die Otzenrather sollen wie die Politik und wie der Konzern RWE groß denken. Aber sie denken persönlich, an sich, an die Veränderung und an den Verlust. Es wird nicht geschrien noch getobt, mehr ringen die Otzenrather um Worte. Jens Schanze widersteht der Versuchung, einen „Betroffenenfilm“ zu montieren. Er nimmt, was er sieht und was er hört. Was er mit der keineswegs reißerischen Kamera von Weiffenbach weiterträgt, spricht seine eigene, eindringliche Sprache. Im schönen neuen Otzenrath ist es drei Grad kälter geworden. jbh

„Otzenrath 3° kälter“, 3sat, 21 Uhr 45

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