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In welchen Untiefen des menschlichen Gehirns sitzt das Böse? Foto: Arte

© Dieter StŸrmer

Dokumentation: Das Böse

Warum Menschen Menschen töten. Ein Arte-Film sucht eine Antwort.

Der Schock saß tief. Sieben Stunden lang hielt ein Häftling der JVA Straubing im April 2009 eine Psychiaterin in der Gewalt und lebte seine Fantasien aus. Der Plan mochte während der vorangegangenen Sitzungen lange in ihm gereift sein. Gesprächsbereit hatte er sich gezeigt, und nun das. Sind Psychopathen heilbar? Woher kommt eine „abnorme Veranlagung“, und ist sie überhaupt so anormal? Karin Jurschick, die vor zwölf Jahren mit einem beeindruckenden Dokumentarfilm über Verdrängung und Gewalt in der eigenen Familie („Demnach hätte es schön sein müssen“) für Aufsehen sorgte, richtete diese Fragen an mehrere Psychologen und begleitete sie bei ihren Untersuchungen vom MRT-Studio bis in den Kongo.

Steht die Gewaltbereitschaft den Menschen etwa im Gesicht geschrieben? Zeigt sich der Wille zum Töten im Blick? Es wurden und es werden, darf der Zuschauer der sehenswerten Doku „Das Böse – Warum Menschen Menschen töten?“ schlussfolgern, immer noch kuriose Untersuchungen und Experimente angestellt, um vielleicht doch den Ursprung der Verdammnis in einem kranken Gehirn zu finden. Oder Befragungen durchgeführt, deren mageres Ergebnis die damit verbundenen Reisekosten nicht aufwiegen dürften: Was soll der einst als Kindersoldat missbrauchte junge Kongolese schon auf die Frage antworten, was er bei seiner ersten Mordtat empfand? Nichts außer der Furcht, sonst selbst getötet zu werden.

Es ist das Böse, das Böses schafft, lautet die simple Erklärung, die Kenner von Horrorfilmen und Krimis nicht überraschen wird. Der Bremer Professor Gerhard Roth, der dem Film als Berater zur Seite stand, führt vor was passiert, wenn Frösche mit Bienen gefüttert werden. Mehr beeindruckt der Bericht eines jungen Strafgefangenen, wie er als Kind regelmäßig von seinem Vater mit dem Gürtel malträtiert wurde und dazu die Beteuerung der Eltern hörte: „Wir lieben dich.“ Bald glaubte er an keine Liebe mehr, weder die der Eltern noch anderer Menschen.

52 Minuten sind wenig für dieses große Thema. Die Regisseurin rafft, indem sie Expertenmeinungen einsammelt. Eine Sprecherin kommt hinzu, so dass der Film mehr einem bebilderten Hörtext gleicht. Das Wichtigste bleibt freilich hängen: Ein Drittel aller Aggressivität ist genetisch bedingt, schließlich stammen wir alle von Jägern und Kriegern ab. Zwei Drittel gehen auf Fehlentwicklungen in der Jugend und Einflüsse der Gesellschaft zurück. Über kurz oder lang kann jedes Volk auf Gewalt eingestimmt werden, sagt Gerhard Roth, was wohl weder für den Kongo noch für die Nazi-Zeit pauschal zutreffen dürfte. Man muss die Psychopathen nicht nur im Gefängnis oder auf Kriegsschauplätzen suchen. Das Böse wurzelt in jedem Einzelnen und kann schon am Arbeitsplatz durchbrechen.Hans-Jörg Rother

„Das Böse – Warum Menschen Menschen töten“, Arte, 21 Uhr 40

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