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Dokumentation: Der Verbrecher feiert nebenan

Zum zehnten Mal jährt sich das Ende der Kriege im ehemaligen Jugoslawien. Wie absurd die Jagd nach Ratko Mladic in diesen Jahren teilweise verlief, zeigt 3sat am Dienstag in einer Doku.

Ein Mann, der wegen schwerster Kriegsverbrechen angeklagt ist, wird mit internationalem Haftbefehl gesucht - und wie zum Trotz, mitten in Europa, vermag er sechzehn lange Jahre der Verhaftung zu entgehen. Sechzehn Jahre, die er zu einem nicht geringen Teil in aller Öffentlichkeit verbringt. Sich wiederholt bei Familienfeierlichkeiten filmen lässt. Und unverhohlen seine Verfolger und seine Chefanklägerin düpiert, als er, nur einen Kilometer von einem amtlichen Treffen in Belgrad entfernt, in einer Gastwirtschaft ein privates Bankett abhalten kann. Nun aber ist Ratko Mladic, der Urheber zahlloser ethnischer Säuberungen in Bosnien und Verantwortliche für den Völkermord von Srebrenica, seit wenigen Wochen verhaftet und dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag überstellt. Und zum rechten Zeitpunkt, gut ein Jahrzehnt nach dem Ende der Kriege im ehemaligen Jugoslawien, sendet 3sat am Dienstag den Dokumentarfilm „Jagd nach Ratko Mladic?“. Der französische Journalist Olivier Pighetti liefert hier einen nicht nur facettenreichen, sondern auch bestürzenden Einblick in die nationalen und sogar internationalen Funktionsweisen des Deckens und Vertuschens. Dass sich Mladics Familienangehörige oder auch seine Scharfschützen offen und einmütig zu Mladic bekennen, mag kaum verwundern. Aber erschreckend und erhellend ist es, wenn ein ehemaliger Chef des serbischen Geheimdienstes berichtet, in welchem Ausmaß höchste staatliche Funktionsträger – aus dem Militär und der Polizei, aus den Ministerien und dem Präsidialamt – seine Ermittlungen und Verhaftungsversuche torpedierten, auch den Einsatz tödlicher Gewalt nicht scheuten, als es galt, zufällige Zeugen oder allzu hartnäckige Verfolger zu eliminieren. Vielleicht die deutlichste Einstellung ist es dann, wenn Pighetti die internationale „Schützenhilfe“, vor allem die Rolle Frankreichs ins Visier nimmt: denn Mladic konnte jahrelang von seiner zuvorkommenden Behandlung französischer Kriegsgefangener profitieren. Alain Richard, von 1997 bis 2002 Verteidigungsminister in Paris, kommt zum Interview in ein recht kahles Zimmer und behauptet allen Ernstes, damals nichts von Mladics Aufenthaltsorten gewusst zu haben. An der Wand hinter ihm hängt ein buchstäblich zwielichtiges Bild von René Magritte. Sein Titel lautet „L'empire des Lumières“ oder, wie wenn Bilder mehr wissen, „Das Reich der Aufklärung".

„Die Jagd nach Ratko Mladic?“, Dienstag, 21 Uhr 40, 3sat

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