zum Hauptinhalt

Dokumentation des Terrors: Arte-Film "Von Auschwitz nach Entebbe": Und wieder selektiert ein Deutscher

Eine Arte-Dokumentation schildert die Befreiung israelischer Geiseln in Entebbe/Uganda. Unter den Entführern waren auch Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann von den Revolutionären Zellen. Im Laufe der Entführung wurden 147 Geiseln freigelassen, die mit israelischen Pässen mussten bleiben. Böse hatte sie selektiert. "Von Auschwitz nach Entebbe" wird die Linie gezogen.

Am 30. Juni 1976, gut 31 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, wurden Juden wieder von Deutschen selektiert. Im Flughafenterminal von Entebbe/Uganda sah Wilfried Böse, Mitglied der Revolutionären Zellen (RZ), die Pässe der drei Tage zuvor als Geiseln genommenen Passagiere einer Air- France-Maschine durch. Wer einen israelischen Pass besaß, musste in einen Nebenraum gehen. Am Tag darauf ließen die vier Geiselnehmer, die RZ-Terroristen Böse und Brigitte Kuhlmann sowie zwei Palästinsenser, 147 Geiseln frei. Die Juden mussten bleiben, darunter einige, die Auschwitz überlebt hatten. Am 3. Juli gab Ministerpräsident Jitzchak Rabin der israelischen Armee grünes Licht für ein waghalsiges Befreiungskommando, das trotz einiger Todesopfer weitgehend glückte. Mehr als 100 Menschen wurden gerettet und nach Tel Aviv geflogen.

Entebbe hat für Israel im Kampf gegen den Terrorismus einen ähnlichen Stellenwert wie die Befreiung der „Landshut“-Geiseln 1977 in Mogadischu für Deutschland – doch durch Böses Selektion ist die Entführung zusätzlich aufgeladen und rührt an den Gründungsmythos des jüdischen Staates. „Ich sehe in Entebbe das Wesen des Zionismus“, sagt Muki Betzer, einer der Kommandeure der „Operation Donnerschlag“. „Hätten wir vor dem Zweiten Weltkrieg einen Staat und eine Armee gehabt, hätte es den Holocaust in Deutschland so nicht gegeben.“ Für Deutschland bedeutet Entebbe eine bittere Lektion über den Antisemitismus der extremen Linken. Thomas Ammann hat für seine ungemein dichte Dokumentation „Von Auschwitz nach Entebbe“ (Arte, 30. Juni) eine beeindruckende Zahl von Zeitzeugen interviewt, darunter mehrere Geiseln, den französischen Flugkapitän, die Ex-Terroristen Peter-Jürgen Boock (RAF) und Hans-Joachim Klein (RZ), deutsche und israelische Diplomaten sowie einige an der Aktion beteiligten Militärs. Auch politische Prominenz ist reichlich vertreten: Ehud Barak, später israelischer Ministerpräsident, hatte bereits 1972 eine Flugzeugbefreiung in Tel Aviv geleitet. Avi Primor, später Botschafter in Deutschland, war damals Diplomat in Paris. Und Schimon Peres war der Verteidigungsminister, der die Flugzeuge schon in die Luft geschickt hatte, ehe Rabin der militärischen Aktion zustimmt.

Rabin hoffte bis zuletzt auf eine diplomatische Lösung in den Verhandlungen mit den Terroristen und ihrem „Gastgeber“, Ugandas Diktator Idi Amin. „Wir haben ihm alles versprochen, vom Nobelpreis bis zum Paradies“, sagt Peres ironisch über die Gespräche mit Amin, der es sich nicht nehmen ließ, regelmäßig am Flughafenterminal vorzufahren und mit den Geiseln zu reden. Das ugandische Fernsehen war natürlich dabei – auch diese Bilder kann Ammann in seinem mit vielen Details und Hintergründen gespickten Film zeigen. Thomas Gehringer

„Von Auschwitz nach Entebbe“, Mittwoch, Arte, 20 Uhr 15

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false