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Peter Hartz (li.) hat für die Schröder-Regierung die nach ihm benannte Arbeitsmarktreform entwickelt – allerdings mit viel höheren Zuwendungen. Foto: SWR

© SWR/ECO Media TV

Dokumentation: Peter Hartz: Der Sündenbock

Die ARD zeigt Lutz Hachmeisters halbierten Film „Auf der Suche nach Peter Hartz“. Eine filmische Ehrenrettung.

Namen können wirklich ein Fluch sein. „Hätte ich Leutheusser-Schnarrenberger geheißen, wäre mir das Schicksal auch erspart geblieben“, sagt Peter Hartz. Das „Schicksal“ des ehemaligen VW-Personalvorstands ist, dass sein Name untrennbar mit der rot-grünen Arbeitsmarktreform verbunden ist, vor allem mit dem umstrittenen Teilpaket Hartz IV. Und dann flog noch die Schmiergeldaffäre bei VW auf. Betriebsratschef Klaus Volkert und andere waren mit Geld und Sex auf Kosten des Konzerns bei Laune gehalten worden. Als einziger aus der Vorstandsetage wurde Peter Hartz verurteilt, wegen Untreue zu einer Geld- und einer zweijährigen Bewährungsstrafe. Aus dem gefeierten Kämpfer gegen die Arbeitslosigkeit ist ein vorbestrafter Exmanager geworden, dessen Name nach sozial ungerechter Politik klingt. Was für ein Absturz.

Seit dem „medialen Tsunami“ (Hartz) rund um die VW-Affäre hat er geschwiegen, „jetzt wird er reden“, heißt es bedeutungsschwer in Lutz Hachmeisters Dokumentarfilm „Auf der Suche nach Peter Hartz“. Aber allzu viel sagt Hartz nicht. Das katholische SPD-Mitglied aus dem Saarland verteidigt sich und klagt ein bisschen, ärgert sich auch über sich selbst, bleibt jedoch gegenüber den ehemaligen Bundesgenossen loyal. „Ungeheuerlich“ sei das gewesen, wie das gespielt wurde, sagt er ganz allgemein und meint damit wohl seine Erfahrungen mit der Berliner Politik. Persönlich verletzt zeigt er sich nur beim Stichwort Oskar Lafontaine: Mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten des Saarlands verbindet den 70-Jährigen eine lange gemeinsame Geschichte. Als Linken-Chef zog Lafontaine dann gegen die Vorschläge der Hartz-Kommission zu Felde. „Unmöglich, unmöglich“, stammelt Peter Hartz im Film empört. Dabei distanziert er sich selbst von dem, was die Politik aus seinen Vorschlägen gemacht hat. 511 Euro sei der Ausgangsvorschlag beim Arbeitslosengeld-II-Regelsatz gewesen, betont er. Zurzeit liegt er bei 364 Euro. „Wir hatten überhaupt keine Diskussion, dass es ein menschenwürdiges Einkommen sein muss“, sagt Hartz.

Der Film erzählt auch ein Stück Wirtschaftsgeschichte, vom Niedergang der Stahlindustrie im Saarland und vom Aufstieg der Autostadt Wolfsburg. Die einstigen IG-Metall-Vorsitzenden Franz Steinkühler und Jürgen Peters kommen zu Wort, die Braunschweiger Oberstaatsanwältin Hildegard Wolff, der ehemalige Planungschef im Bundeskanzleramt, Wolfgang Nowak, und andere. So kann der Film das öffentliche Bild von Peter Hartz ein wenig geraderücken, auch wenn der selbst recht einsilbig bleibt. Vor allem was die Hintergründe der VW-Affäre angeht. Er habe für den Gesamtkonzern Verantwortung übernommen, sagt Hartz nur, „weil ich ja auch ehemaliger Reserveoffizier bin“. Hachmeisters Film legt den Schluss nahe, dass Hartz in einer Mischung aus Pflichtbewusstsein, Naivität, ehrlichem Engagement und Eitelkeit in die Rolle des perfekten Sündenbocks schlitterte – für die Politik des Kanzlers Gerhard Schröder und die Unternehmensführung des VW-Chefs Ferdinand Piëch.

Der Dokumentarfilm wirkt allerdings bruchstück- und lückenhaft, denn die ARD hat nach der Talkoffensive im Ersten – außer im Sommer – nur noch Platz für Dokumentarfilmchen: Hachmeister musste seinen 90-Minuten-Beitrag um die Hälfte kürzen. Die Originalversion ist am 10. Januar 2012 bei 3sat zu sehen. Die vom Autor erhoffte zeitnahe Ausstrahlung kam nicht zustande, „um bei Zuschauern nicht den Eindruck zu erwecken, es handele sich um eine reine Doppelung“, wie ein SWR-Sprecher erklärt. Man stelle sich das bei Krimis vor. Das zeigt in etwa den Stellenwert, den die Königsdisziplin des langen Dokumentarfilms in der ARD noch hat. Thomas Gehringer

„Auf der Suche nach Peter Hartz“; ARD, 22 Uhr 45

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