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Doping-Doku: ''Das war wie ein Bandenkrieg''

"Blut und Spiele", ein zweiteiliger ARD-Dokumentarfilm über die Welt des Dopings.

Einen Krimi signalisieren uns die Bilder zu Beginn: Die Kamera fährt an einer Frauenleiche auf dem Obduktionstisch entlang. Unter dem weißen Tuch ragen Hände mit langen, bunten Fingernägeln hervor. Hier liegt die schnellste Frau der Welt – natürlich nicht wirklich, so investigativ ist die ARD auch wieder nicht. In einer nachgestellten Szene wird an Florence Griffith-Joyner erinnert, die 1998 im Alter von nur 38 Jahren vermutlich an den Spätfolgen des Dopings starb. Nicht nur der Radsport hat Leichen im Keller.

Die ARD lässt beim Dopingthema nicht locker. Nach dem Wirbel bei der Tour de France und wenige Tage vor dem Start der Deutschland-Tour lenkt das Erste zum Auftakt der zweiteiligen Dokumentation „Blut und Spiele“ die Aufmerksamkeit zur Abwechslung auf die Leichtathletik. Tapfer wird, bevor die Weltmeisterschaften in Osaka/Japan (25. August bis 2. September) gemeinsam mit dem ZDF live übertragen werden, darauf hingewiesen, dass die Rekordlisten eigentlich wertlos sind und viele Medaillen mit unlauteren Mitteln abgegriffen wurden.

Zum Beispiel Olympia 1988: Der kanadische Sprinter Ben Johnson gewann das 100-m-Finale in Seoul in Weltrekordzeit, wurde anschließend aber positiv auf das anabole Steroid Stanozolol getestet. Ein Riesenskandal. Statt Johnson erhielt Carl Lewis (USA) die Goldmedaille. Noch ein Riesenskandal. Der Superstar war vor den Olympischen Spielen in seiner Heimat ebenfalls des Dopings überführt worden und hätte eigentlich gar nicht starten dürfen, doch die Testergebnisse behielten die amerikanischen Sportfunktionäre lieber für sich. Von den acht Läufern des 100-m-Finals von Seoul ist nach Aussage des ehemaligen US-Dopingfahnders Wade Exum nur ein einziger während seiner Karriere ohne Dopingbefund geblieben: der Amerikaner Calvin Smith.

Das Autorentrio Petra Höfer, Freddie Röckenhaus und Francesca D’Amicis blickt in die trübe Vergangenheit zurück, auf der Spur nach dem System hinter den immer neuen Dopingschlagzeilen. Sie enthüllen nicht wirklich Neues, aber die Verstrickung selbst offizieller Dopinglabors und die Offenheit der Ertappten, haben sie erst einmal ihre Strafe abgesessen, raubt einem auch die letzte Illusion. Am Ende ist man geneigt, sogar die etwas verwegen klingende Theorie über die langen Fingernägel von Florence Griffith-Joyner zu glauben. Die Sprinterin habe damit weniger Aufmerksamkeit erregen, als vielmehr Urinbeutel anritzen wollen, um eine saubere Probe abgeben zu können.

„Dop’ dich, oder sei ein Verlierer“, sagt Victor Conte, Gründer des Balco-Instituts, das zahlreiche US-Stars der Leichtathletik und anderer Sportarten mit Hilfsmitteln aller Art versorgte. Conte saß dafür einige Monate im Gefängnis, nun zeigt er gut gelaunt seine Kalenderblätter aus dem Jahr 2001 für die Dopingversorgung der Olympiasiegerin Marion Jones vor. Conte flog nicht auf, weil ihn Dopingfahnder erwischt hätten, sondern weil ihn ein Konkurrent verpfiffen hatte. „Das war mehr wie ein Bandenkrieg“, sagt Conte.

Die Autoren haben eine Vielzahl Gesprächspartner getroffen, darunter Richard Pound, den Chef der Welt-Antidoping-Agentur Wada, und Robin Parisotto, den Erfinder des Epo-Tests. Ben Johnson und sein Extrainer Charlie Francis geben die betrogenen Betrüger, weil die Amerikaner im Gegensatz zu ihnen nicht aufgeflogen waren. Auch Radprofi Jörg Jaksche tritt auf: Seine Enthüllungen hatte er bereits im „Spiegel“ lanciert, in der Hoffnung, dass die zu erwartende einjährige Sperre vor der nächsten Tour de France abgelaufen sei, sagt Röckenhaus.

Das Dopingsystem durchdringt alle am Leistungssport beteiligten Ebenen, zeigen die Autoren – kurzweilig und ohne den scheinheiligen Ton von Live-Kommentatoren, die zuweilen persönlich beleidigt wirken, weil ihnen wieder ein schwarzes Schaf den schönen Sport vermiest hat. Aber man fragt sich doch, warum die deutsche Leichtathletik, abgesehen von einem kurzen Hinweis auf das vom Staat organisierte Doping in der DDR, so überhaupt keine Rolle spielt? Auch deren Historie wäre ja ein lohnendes Feld, vom Tod der Birgit Dressel 1987 über die Entlarvung der Doppelweltmeisterin Katrin Krabbe bis hin zur Zahnpasta-Theorie des positiv getesteten Dieter Baumann. So bestätigt der Film vordergründig den üblichen Verdrängungseffekt. Gedopt wird vor allem bei den anderen. Aber es gibt ja noch einen zweiten Teil am nächsten Mittwoch, der sich neben dem Radsport (Fuentes-Affäre) noch mit Langlauf und Biathlon befassen will. Auch des Deutschen liebstes Kind, der Fußball, wird angekratzt, erneut auf dem Umweg übers Ausland (Juventus Turin). Da bahnt sich im „Sportschau“-Sender ARD schon das nächste Dilemma an.

„Blut und Spiele“, ARD, heute und am 15. August um 22 Uhr 45

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