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Die elf Kandidaten der siebten Staffel der RTL-Show "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus". oben v.li.: Iris Klein, Helmut Berger, Fiona Erdmann, Joey Heindle, Georgina, Patrick Nuo: unten v.li.: Arno Funke, Claudelle Deckert, Olivia Jones, Silva Gonzales, Allegra Curtis

© RTL

Dschungelbuch (1): Trash vom Feinsten

Eigentlich müsste man nach der ersten diesjährigen Folge des RTL-Dschungelcamps darüber schreiben, wie Neumoderator Daniel Hartwich das schwere Erbe des verstorbenen Dirk Bach angetreten hat. Der Auftakt der siebten Staffel des Trashklassikers war zu gut, um es dabei zu belassen. 7,7 Millionen haben zum Auftakt eingeschaltet, das ist Rekord.

Man könnte, ach, müsste an dieser Stelle wohl eigentlich darüber schreiben, wie der Neue (Daniel Hartwich) und ob der Abschied vom alten Moderator des RTL-Dschungelcamps „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ (Dirk Bach) gelungen war. Ob dieser jenem das Wasser reichen kann. Und ob der dreiminütige Abspann mit Dirk-Bach-Dschungelszenen zu trauriger Musik am Ende dieser ersten Folge der siebten Staffel auf gute Weise pathetisch oder auf unangenehme Art kitschig war.

Man kann diese Sachen freilich auch schnell abhandeln: Die Erinnerung an Bach war schon allein deshalb so charmant, weil sie nach dem Dreck, der in den vorangegangenen fast drei Stunden der Marathon-Eröffnungssendung bereits über den Kandidaten der diesjährigen Dschungelcamp-Ausgabe ausgeschüttet worden war, eins klar machte: dass selbst in knochenharten TV-Zynikern noch das Licht der Liebe brennt. Daniel Hartwich seinerseits hat sich als souveräner Ablieferer von Sätzen wie „Im Vergleich zum Berliner Flughafen ist Helmut Berger schon ziemlich fertig“ und „Ich habe fast im Alleingang einen Papagei zum Supertalent moderiert“ erwiesen. Mit der plakativen Distanz zu sich selbst und zur Trashbranche, die ihm schon dort gut stand, passt er ins „Dschungelcamp“. Schade nur, dass er in Redepausen aussieht wie ein vor die Kamera gelaufener Gagschreiber.

Dies alles ist jedoch nicht der Rede wert im Angesicht der Tatsache, dass „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ von Jahr zu Jahr schlicht besser wird. Und zwar ebensowenig durch neue Moderatoren wie durch die zuverlässige Besetzung der Planstellen Knuddeldepp (im letzten Jahr Ochsenknecht-Sohn Rocco Stark, in diesem Jahr Casting-Nobody Joey Heindle), Modelzicke (Fiona Erdmann tritt in die Fußstapfen von Sarah „Dings“ Knappik aus der fünften Staffel, beide Veteraninnen von „Germany's Next Topmodel“) und Freak-Opa (Mathieu Carrière, Rainer Langhans, jetzt Helmut Berger) bei den Kandidaten. Was ist es dann? Die Sadozuspitzungen der Lebensbedingungen im Camp, mit immer größeren Schikanen, immer weniger Betten und immer mehr auf Krawall gebürsteten Casting- und Bachelor-Sternchen? Das hätte RTL wohl gerne, würde es Erfolg von Schrottfernsehen doch plan-, kopierbar und billig machen. Doch schade: Was das „Dschungelcamp“ unter anderem so zauberhaft macht, ist, dass es längst Legende ist und sich just dadurch verändert, fortentwickelt, zu einem einzigartigen Spiel mit den eigenen Regeln wird. Die Kandidaten wissen, worauf sie sich einlassen – und machen das daher von Jahr zu Jahr besser.

Konkret: Wie sich in der Folge von Freitag der erfolglose Sänger Silva Gonzalez gleich zu Beginn mit der selbstironischen Selbstauskunft „Frau weggelaufen, pleite – alle Klischees erfüllt” vorstellte; wie später im Camp Drag Queen Olivia Jones das sogenannte „Dschungeltelefon“ suchte und dabei halblaut und herrlich unernst die Verschiedenheit von Fernsehen und Realität reflektierte; wie schließlich – quasi als Kontrapunkt - „Dagobert“-Erpresser Arno Funke durchs Bild tapste, den Unwillen, hier irgendeinem Affen Zucker zu geben in einem ozeantiefen Grinsen versteckt: Das alles macht Lust, sich mit der Versuchsanordnung „Dschungelcamp“ zu befassen; mit dem guten Gefühl, dass immer mehr Insassen sich nicht als Opfer preisgeben; sondern einen ganz eigenen Dreh auf das Ereignis finden, es umdeuten, seine vermeintlichen Erfordernisse unterlaufen oder ironisieren.

Auch wenn dabei immer noch nicht mehr herauskommt als ein Kammerspiel, das weniger Großes bedeuten als sich irgendwie selbst fortschreiben will: Auf diesem Weg kann man dieser Dschungelbesatzung nur wünschen, dass sie so weitermacht wie bisher! Dass Pseudo-Promis wie Tony-Curtis-Tochter Allegra sich brav zurückhalten, um Helmut Berger und Olivia Jones Raum für Soli zu geben; und dass speziell Jones an ihren  humorvollen, sympathischen und klugen Auftakt anknüpfen kann. Für TV-Deutschland und gerade für die erklärten Gegner des Formats bedeutet diese Staffel eine mehr als ernsthafte Chance, eine Grundregel für selbstbewusste Kulturkonsumenten zu lernen: dass auch etwas fein sein kann, das von seinen Produzenten kreischig gemeint ist. Olivia Jones könnte dabei in vielerlei Hinsicht eine entscheidende Rolle spielen.

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