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Sie moderieren das Dschungelcamp: Sonja Zietlow und Daniel Hartwich.

© dpa

Dschungelbuch (7): Wie RTL mit dem Dschungelcamp einen Bildungsauftrag erfüllt

Ist all die Nacktheit beim Dschungelcamp wirklich nötig? Ja, meint unser Autor Dominik Bardow. Fiona Erdmann und Iris Klein beispielsweise stehen für unterschiedliche biologische Konzepte. Das muss veranschaulicht werden. Und ganz nebenbei nimmt RTL so einen Bildungsauftrag wahr.

Der Erfolg des Dschungelcamps war mir immer schleierhaft – bis zur Episode am Donnerstagabend. Da wurde mir klar: Es geht hier weder darum, D-Prominente vorzuführen noch darum, ihre Streits um Campinggeschirr, Nachtwachen und Plumpskloleerungen ernst zu nehmen. Es handelt sich um eine Fortsetzung der Wanderschau Körperwelten, nur mit anderen Mitteln. Statt präparierte, gehäutete Tote auszustellen, häuten sich hier unpräparierte Untote der Fernsehunterhaltung vor der Kamera und liefern sich eine Art evolutionären Wettstreit, welches Modell menschlicher Existenz in der Wildnis überlebt. Daher ist auch die viele Nacktheit nötig. Teilnehmerin Fiona Erdmann etwa steht für das biologische Konzept, dass Haut und Knochen völlig genügen, um einen Körper zusammenzuhalten. Daher streitet sie sich so oft mit Iris Klein, die eher auf einen Speckgürtel und kurpfälzische Gemütlichkeit als Lebensgrundlage setzt. Das Gesicht von Allegra Curtis ist ein Hochglanzlehrbuch über die Wunder der plastischen Chirurgie, Transe Olivia Jones veranschaulicht, dass auch im Körper eines Hamburger Hafenarbeiters eine Grande Dame stecken kann. Nordseeküstenbarde Klaus Baumgart hingegen informiert offenherzig über den menschlichen Verdauungstrakt („Nur eine Bohne und ich musste sofort flitzen.“)

Selbst bei Moderator Daniel Hartwich wollen sich seine Nase und seine Haare seiner absurd großen Kastenbrille anpassen und mitwachsen, die verzweifelt vorgetragen Witze strotzen vor Selbstbehauptungstrieb. Wie in jeder guten Ausstellung ist der Dschungel im Hintergrund aus Plastik, um nicht vom Wesentlichen abzulenken, dem menschlichen Objekt.

Die beiden Sänger Patrick Nuo und Joey Heindle erkundeten zusammen die unendlichen Weiten des menschlichen Gehirns, als Nuo Heindle hypnotisierte, mit der raffinierten Formel: „Stell dir dich selbst vor, in 20 Jahren.“ Heindle zeigte sich begeistert: „Ey, der hat eine Mentalreise mit mir gemacht bis in die Unendlichkeit!“ Nuo gab das Lob weiter an seinen Therapeuten („Hat mich ziemlich durchleuchtet, so.“)

Georgina Bülowius führte hingegen vor, wie sich wohl der Wille bei den ersten Vorgängern des Menschen herausgebildet haben muss. Nachdem sie auf einem Flugzeug voller Ungeziefer herumgeklettert war und demnächst mit der siebten Dschungelprüfung in Folge eine Art Urwaldrekord aufstellen wird, kehrte sie zurück ins Camp und stellte ein paar Regeln auf („Ich hab kein Bock mehr von der Seite angedingst zu werden.“) So müssen die ersten Gesetze menschlichen Zusammenlebens entstanden sein. Faszinierend.

Die wahre Anthropologie beginnt aber erst in der Abgrenzung vom Tier, so auch, als Heindle einer Schlange begegnete („Anscheinend hatte sie mehr Angst als ich von ihr.“) Den wesentlich interessanteren Beitrag zu dem Thema bekam jedoch zu sehen, wer nach Ende des Dschungelcamps schnell herüberschaltete zu RTL II, zu der Dokumentation „Wir schlagen Deutschland – Die 10 strengsten Dominas“. Dort waren Männer in Latexanzügen und -masken zu bewundern, die auf allen Vieren so taten, als seien sie Hunde (Sprecherstimme: „Obwohl sein Betragen zu wünschen übrig ließ, darf er nach dem Käfig mit der Herrin Gassi gehen.“)

Insofern erfüllt die RTL-Gruppe hier einen Bildungsauftrag und beantwortet dem Menschen mit seinen Schauen, wer er ist, in der Tiefe des Urwalds, im Käfig. Oder, um es mit Heindle zu sagen: „Singen motiviert mich, dann merke ich: Ich bin Sänger - kein Koch, Müllmann oder Feuerwehrmann, sondern Koch."

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