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Dschungelcamp

© dpa

Dschungelcamp: Ein Kritiker sieht rot

Die gute Nachricht vorweg: In einer Woche ist es vorbei mit der vierten Staffel der RTL-Dschungelshow "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus". Ab jetzt folgen allerdings nur noch schlechte Nachrichten.

Das Format, das seit einer Woche nach 22 Uhr auf RTL läuft, ist so ziemlich das Bescheuertste, was man sich gerade im deutschen Fernsehen anschauen kann (noch ein klein wenig bescheuerter ist nur „The Next Uri Geller“ auf Pro7, aber diese Show erfährt Gott sei dank nicht so viel Aufmerksamkeit, deshalb kann man sie getrost ignorieren). Beim Dschungel-Camp verhält es sich leider anders, das ist immer noch „ein Ereignis“, etwas, „worüber ganz Deutschland spricht“ – und tatsächlich auch guckt: im Durchschnitt sahen bisher 5,23 Millionen Menschen zu, was einem Marktanteil von 22,1 Prozent entspricht. Deshalb gehört es zur Chronistenpflicht, sich mit diesem Unsinn auseinanderzusetzen. Auch, weil es tatsächlich Fernsehkritiker gibt, die in ihrer Beurteilung dieser Sendung so falsch liegen wie nur was.

Lob gibt es zum Beispiel für Dirk Bach und Sonja Zietlow – und zwar für ihre „Moderation“. Nun ist es nur leider so, dass der Dicke und die Zicke so ziemlich alles machen – außer eben moderieren. Sie lernen Sätze auswendig, Dialoge, alles was sie sagen, bekommen sie aufgeschrieben, selten im deutschen Fernsehen war es deutlicher, dass da zwei Menschen eben nicht lustig und spontan den Zuschauer unterhalten, sondern sie mit einstudierten Gags nerven. Die beiden zeigen sich hier nicht als Moderatoren, sondern als Schauspieler, selten dämliche noch dazu. Tatsächlich hat das, was Bach und Zietlow da vor der Kamera machen, weder Sinn noch Verstand.

Außer eben für Menschen, die wirklich glauben wollen, dass diese „Dschungelshow“ so etwas wie die Rache des Fernsehens an sich selbst ist. Sagen einem ganz Schlaue. Aber wieso eigentlich? Weil man sich über Menschen, die einem im Fernsehen auf die Nerven gehen, lustig macht? Wem ist Norbert Schramm das letzte Mal auf die Nerven gegangen? Was hat Günther Kaufmann dem Fernsehzuschauer Böses angetan? Wofür hat Nico Schwanz diese Strafe verdient? Oder aber ist es so, dass diese zehn Menschen deshalb leiden müssen, weil sie so doof sind, überhaupt da mitzumachen? Und wer leidet eigentlich mehr? Die Kandidaten oder die Zuschauer?

Im Zweifel leiden wir, die Zuschauer, wenn wir eine Stunde lang versuchen, uns bei dieser Show gut unterhalten zu fühlen. Es funktioniert nicht, da ist niemand, der einen gut unterhält, als Zuschauer ist man den Bildern und den Protagonisten hilflos ausgeliefert, dauernd wartet man darauf, dass jetzt endlich einmal etwas passieren müsste, irgendwas, aber es passiert: nichts.

Einmal sagte Ingrid van Bergen, die alte Frau, die im Knast saß, weil sie im Affekt ihren Lebensgefährten erschoss, einen großen Satz: „Nutten haben mir im Knast erzählt, dass sie mein Schlafzimmer sehr gut kennen.“ Die Frau hat anscheinend etwas erlebt, deshalb erträgt sie die Teilnahme an dieser Show auch mit dieser Gelassenheit, während Kandidatin Giulia Siegel, die einem vor dem Dschungelcamp egal war, und die man jetzt nur noch verachtet, mit dem Satz in Erinnerung bleiben wird: „Könnt ihr euch alle jetzt bitte mal auf mich konzentrieren.“ Mehr bleibt nicht übrig nach einer Woche des täglichen Dschungelshow-Konsums.

Ein letztes Argument von Befürwortern des Formats: Es sei unheimlich gut gemacht, aufwendig produziert, technisch perfekt umgesetzt. Und? Als ob es darum im Fernsehen gehen würde. Als ob das gutes Fernsehen ausmachen würde. Tatsächlich macht das Fernsehen, diese Show speziell, kalt und steril. „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ fehlen jede Wärme und – eine Sache die für das Fernsehen nicht ganz unwichtig ist – auch jede Menschlichkeit. Was sieht der Zuschauer unterm Strich? Zehn Kandidaten, die ihm im Zweifel total egal sind, liegen im australischen Dschungel rum, reden dummes Zeug, und manchmal muss einer von ihnen Känguruhoden essen. Zwischendurch machen ein Mann und eine Frau, deren bisheriges Schaffen sie auch als Kandidaten rechtfertigen würde, dünne Witzchen.

Es bleibt trotzdem bei der Erkenntnis: Das Abendland ist nicht in Gefahr, Sitte und Moral in Deutschland werden auch keinen größeren Schaden nehmen – und „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ ist das Schlechteste, was im Moment im deutschen Fernsehen läuft, alles andere ist besser (abgesehen von „The Next Uri Geller“). Das war zum Schluss jetzt doch noch eine gute Nachricht.

„Ich bin ein Star - holt mich hier raus“, 22 Uhr 30, RTL

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