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Medien: „Du erkennst, wie viel im Argen liegt“

Harald Krassnitzer über Österreich, Serien, die Ungewissheit des Menschen und George Clooney

Eine Winzerserie aus dem Burgenland – das klingt nach altbackenem Fernsehen.

Glauben Sie mir, die Serie ist ganz bestimmt nicht altbacken! Was mich sofort begeistert hat, war, dass wir Geschichten von modernen Menschen erzählen. Sie müssen also keine alten Männer fürchten, die in einem staubigen Winzerkeller auf einem Fass sitzen, sich mit verglänzten Augen einen hinter die Binde kippen und am nächsten Tag sagen: „Sche woas“.

Uns erwartet auch kein Folklore-Stadl?

Im Weinbau kommen heutzutage Hightech-Geräte zum Einsatz: Computer, die die Gärung überwachen, und hochfeine Pumpen, die dafür sorgen, dass Trauben nicht gequetscht werden. Winzer müssen moderne Menschen sein, die globalisiert denken.

Eine Verbundenheit mit Heimat und Natur ist nicht mehr wichtig?

Doch, denn die Weingärten und die Reben sind weiterhin wesentlicher Bestandteil des Weinbaus. Und auf Sonne, Sturm und Hagel hat der Winzer keinen Einfluss. Dann ist auch er wieder ein Teil der Natur, reduziert auf das Elementare. Die Natur kann sein Partner, aber auch sein Gegner sein – das macht die Sache wieder weniger berechenbar.

Wie sehr prägt diese Ungewissheit die Menschen?

Sie nehmen das Leben sehr intensiv wahr und reagieren schnell auf neue Situationen – das macht sie zu sehr offenen Menschen. Die Intensität ihres Alltags finde ich als Ausgangspunkt für eine Familienserie unglaublich faszinierend, sie beinhaltet, was heute viele Menschen beschäftigt: ein gesamtheitliches Lebensbild – die Verbindung von Natur und Technik.

Reizt Sie dieses Lebensbild? Für Sie als ausgewiesener Weinkenner bietet sich ein eigener Weingarten doch geradezu an.

Das Thema Wein fasziniert mich schon lange. Und so gerne man das sonst so dahinsagt, in diesem Fall ist es für mich wirklich eine Option. Alles, was da an Feinheiten drinsteckt, wenn zum Beispiel in ein und demselben Hang zwei Winzer aus der gleichen Rebe ganz unterschiedliche Weine machen, so finde ich das total spannend.

Das hört sich so an, als ob Sie sich demnächst aus dem Filmgeschäft zurückziehen würden.

Eigentlich fühle ich mich mit dem, was ich mache, sehr wohl. Ich will mein Leben nicht komplett ändern. Wenn man sich im Prozess des Älterwerdens befindet, ich bin 45 und mittendrin, dann lernt man, Dinge realistisch einzuschätzen und mit seinen Leidenschaften umzugehen. Für mich ist die Zeit, in der ich mich mit Wein beschäftige, wie eine Insel – selbst wenn es nur ein drehfreier Nachmittag ist, an dem ich bei einem Winzer vorbeischaue.

Nach „Bergdoktor“ und „Tatort“ spielen Sie wieder die Hauptrolle in einer Serie. Die Schublade „Seriendarsteller“ scheinen Sie nicht zu fürchten.

Nein, denn ich habe da eine andere Denke. Eines der großen Probleme im deutschen Fernsehen ist doch, dass viele nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass dieses Medium ein vielfarbiges Medium ist. Wir können nicht so tun, als ob es Telenovelas oder Familienserien nicht geben würde. Selbst wenn ich privat andere Affinitäten habe und andere intellektuelle Auseinandersetzungen suche, so ist es Teil meines Berufes, in einer möglichst großen Bandbreite präsent zu sein. Auch Familienserien haben Aspekte, die ich nicht unwesentlich finde. Warum wird dem Publikum dieser Produktionen unterstellt, es bestünde nur aus Volltrotteln, denen man „schlechtere Schauspieler“ zumuten dürfe? Ein solches Elitedenken ist mir fremd …

… dennoch hat es sich in vielen Köpfen festgesetzt.

Darüber bin ich immer wieder erstaunt. Glauben Sie, dass Herr Clooney sich eine Nanosekunde gefragt hat, ob er „Emergency Room“ machen soll? Oder dass Jessica Parker bei „Sex and the City“ gezögert hat? Beide sind sie hochqualifizierte Schauspieler.

Ist deutsche Unterhaltung denn mit der amerikanischen überhaupt vergleichbar?

Da sind wir beim Kern des Problems: Bei uns ist Unterhaltung etwas, worum man sich am wenigsten kümmert und was mit zu wenig Niveau ausgefüllt wird. Dennoch will ich mich nicht in eine Eindimensionalität drängen lassen, da der Markt ohnedies sehr eingeschränkt ist.

Sie leben seit vielen Jahren in Deutschland. Kommen bei Ihnen Heimatgefühle auf, wenn Sie in Österreich drehen?

Ja, allerdings ist meine Beziehung zu dem Land ein wenig gespalten. Als „Tatort“-Kommissar Moritz Eisner drehe ich jedes Jahr in Österreich. Das macht mir sehr viel Spaß. Doch ich bin immer sehr froh, wenn ich wieder eine gewisse Distanz zu dem Land habe.

Dort wieder zu leben, würde für Sie nicht in Frage kommen?

Ich weiß nicht, ob ich das noch könnte. In Österreich gerätst du schnell in Cliquen hinein, worauf du dich dann mit alltäglichen Kleinkriegen auseinander setzen musst. Das interessiert mich nicht mehr. Ich bin sehr froh, dass ich eine Sozialisation in Wuppertal gefunden habe und mir dort mit meiner Familie etwas aufbauen kann, was mir einfach näher ist.

Dabei steht Österreich für Gemütlichkeit.

Jemand, der aus Deutschland kommt und in Österreich leben möchte, der wird das auch so empfinden. Er kann all die Lebensvorzüge, die er vorfindet, genießen, da er mit dem, was sonst in diesem Land passiert, nichts zu tun hat. Aber wenn du hier geboren bist und weißt, wie hier Macht, Politik und Interessen umgesetzt werden, dann erkennst du unweigerlich, wie viel noch im Argen liegt.

Kostet es Sie nicht viel Ihrer Energie, sich immer wieder über Politik aufzuregen und dafür sogar auf die Straße zu gehen?

In der Scheinwelt eines Gesellschaftssystems zu leben und sich ein schönes Gefühl vorzugaukeln, finde ich da viel Energie raubender. Das Bild, das ich nach außen abgeben würde, wäre mit meiner Person, die dahinter steht, überhaupt nicht deckungsgleich! Für mich ist es wesentlich Energie schonender, mich mit der Gesellschaft auseinander zu setzen und mich zu engagieren, als in einer Simulation zu leben.

Das Gespräch führte Rainer Vogt

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