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Medien: „Du musst es selber fühlen“

Weihnachtszeit – Spendenzeit. Wenn Dieter Thomas Heck in seinen Fernsehshows um Geld bittet, dann werden die Deutschen großzügig – und geben Millionen

Herr Heck, Sie sind der Mann, der die Deutschen zum Spenden bringt. Wie machen Sie das?

Danke für das Kompliment. Aber ich glaube nicht, dass man den Effekt bewusst erzielen kann. Entscheidend ist, dass man das, was man sagt, auch wirklich fühlt.

Woher haben Sie dieses ganz bestimmte Gefühl?

Das kann ich Ihnen sagen. Es hängt mit dem Tod meines Vaters zusammen, an dem ich ungeheuer gehangen habe. Mein Vater war in seinem ganzen Leben nie ernstlich krank. Eines Tages, ich war zu der Zeit gerade beruflich in Luxemburg, rief mich meine Mutter an und sagte, dein Vater liegt im Krankenhaus. Ich bin dann sofort nach Hamburg gefahren. Der Arzt, den ich fragte, ob es Krebs sei, sagte mir, ach was, Krebs, machen Sie sich keine Sorgen, in vier Wochen ist Ihr Vater wieder ganz der Alte. Einigermaßen beruhigt fuhr ich nach Luxemburg zurück. Acht Tage später war mein Vater tot. Krebs. Im Grunde bin ich ein sehr höflicher Mensch. Aber Sie können sich vorstellen, dass ich dem Arzt nicht ganz so höflich begegnet bin.

Wie wurden Sie zum Spendensammler?

Mildred Scheel, die Frau des Bundespräsidenten, fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, bei der Deutschen Krebshilfe mitzumachen. Im Februar 1985 lief zum ersten Mal „Melodien für Millionen“, und wir haben eine Schallplatte zu Gunsten der Deutschen Krebshilfe herausgebracht. Seit zehn Jahren sammeln wir bei der Sendung „Melodien für Millionen“ für die Deutsche Krebshilfe.

Sie sammeln auch Spenden für die Welthungerhilfe.

Als Kind habe ich noch selbst Hunger kennen gelernt, und ich kann noch heute kein Stück Brot wegwerfen. Wenn etwas übrig bleibt, dann stecke ich es ein und gebe es zu Hause meinem Pferd oder meinem Esel. Oder ich halte bei einem Pferdehof und liefere es dort ab. In den Abfallkorb werfen, das kann ich nicht.

Spenden Sie auch selbst?

Ich habe oft gespendet. Aber es gibt Grenzen. Meine Frau und ich kümmern uns ja auch noch um Kinder in Tallin, die dort mit offenem Rücken oder Wasserkopf im Krankenhaus liegen. Eine Frau schrieb uns, da gäbe es drei oder vier Kinder, um die man sich sorgen müsste. Später stellte sich heraus, dass es 120 waren.

Warum tun Sie das?

Ich habe in meinem Beruf sehr viel Glück gehabt. Glück gehört dazu. Ich finde, dass man dann die Verpflichtung hat, auch an andere zu denken. Aber auch hier gilt: man muss hinter dem stehen, was man macht. Ich sehe im Fernsehen oft Sendungen, bei denen ich den Kollegen anmerke, dass es Ihnen peinlich ist zu sagen: „Und bitte, denken Sie daran zu spenden“. Das kommt dann nicht an, auch wenn er oder sie noch so telegen ist.

Es muss ein bestimmter Ton getroffen werden. Aber welcher?

Vieles kommt, trotz aller Vorbereitung, aus dem Bauch. Ich verlasse mich ganz auf meine Intuition. Zur Not werfe ich meine Kärtchen mit den von mir vorbereiteten Texten weg und sage das, was mir gerade in den Kopf kommt. Aber die Sicherheit für das Ganze, die kommt aus dem Gefühl. Das kann man nicht auswendig lernen. Du musst es selber fühlen. Sonst kann es auch kein anderer fühlen.

Ein sensibles Terrain, bei dem man offenbar viel falsch machen kann?

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir etwas falsch gemacht hätten. Aber auch wenn es so wäre: Sie vergessen es.

Haben Sie Lampenfieber?

Vor jeder Sendung. Einen unglaublichen Bammel. Nicht nur wegen der Show, sondern auch wegen des finanziellen Endergebnisses. Aber wenn der erste große Geldschub da ist, dann ist das für mich jedes Mal wie eine Befreiung. Die Menschen sind eben doch besser als man glaubt.

Oder zieht nur der Elendsfaktor?

Was ist denn das: „Elendsfaktor“?

Der kalkulierte Einsatz von Bildern menschlichen Elends, die die Menschen dazu bringen sollen, zu spenden.

Das Wort habe ich noch nie gehört, und ich habe wirklich schon viele Spendensendungen gemacht. Das ist schlimmster Zynismus. Natürlich musst du den Menschen erklären und auch zeigen, was du mit ihrem Geld machen wirst oder was du gemacht hast. Außerdem kann ich Ihnen sagen, dass es gar nichts bringt, nur Elend zu zeigen. Ein Verantwortlicher von der Telekom hat mir einmal gesagt, immer wenn Sie, Herr Heck, zu Spenden aufrufen, dann klingelt es.

Das würde bedeuten, nicht das Elend zieht, sondern der Heck in seiner blühenden Erscheinung.

Das haben Sie jetzt aber sehr hübsch gesagt. Aber im Ernst: Wer glaubt, die Menschen weich klopfen zu müssen, der ist auf dem Holzweg.

Wir brauchen alle nur einen kleinen Schubs, um Gutes zu tun.

Ich kann nicht mehr machen als den Menschen zu erklären, dass es gut ist, anderen zu helfen. Vielleicht kommt es auch auf die Art der Ansprache an. Und immer wieder: Ehrlichkeit.

Dann mal ganz ehrlich: Wie viel bleibt von den Spenden für die Betroffenen?

Die Summe am Ende der Sendung ist nie die Endsumme. Auch nach der Sendung wird weiter gespendet, und oft gehen noch am nächsten Tag Spenden ein. Wir zeigen, was mit dem Geld geschieht, jeder kann es nachprüfen, nichts verschwindet in grauen Kanälen. Natürlich entstehen bei solchen Sendungen Kosten, und ich arbeite auch nicht gern umsonst. Aber das alles liegt offen. Wenn die Deutsche Krebshilfe sich an den Kosten beteiligt und das Zehnfache am Ende herauskommt, dann ist das eine sehr gute Geldanlage für einen sehr guten Zweck.

Würden die Leute auch spenden, wenn jemand anderes als der Heck vor der Kamera stünde?

Darüber habe ich nie nachgedacht. Und wenn ich darüber nachdenken würde, dann würde ich vermutlich das Gefühl verlieren, das man braucht, um glaubwürdig zu sein. Ich bin so geblieben, wie ich immer war: geradeheraus.

Wenn jetzt die Unicef auf die Idee käme, Sie abzuwerben?

Das würde ich nie machen. Weil ich nicht alles machen kann. Denn dann würde ich unglaubwürdig. Ich könnte es auch nicht. Ich würde immer das Gefühl haben, mir dann selbst, also der Krebshilfe und der Welthungerhilfe, mit denen ich sehr eng verbunden bin, Konkurrenz zu machen.

Wie erklären Sie sich die Spendenbereitschaft der Deutschen?

Viele mögen sich daran erinnern, was sie selbst erlebt haben. Ich gehöre ja auch dieser Kriegsgeneration an.

Aber es spenden auch viele junge Menschen.

Vielleicht kommt es aus dem Gefühl: Das darf nicht wieder passieren. Aber wir müssen uns auch nichts vormachen. Es spendet doch nur ein Bruchteil der Bevölkerung. Sonst müssten wir nach jeder Sendung bei 50 Millionen landen.

Glaubwürdigkeit – wie geht das eigentlich?

Ich war einmal mit der Welthungerhilfe in Äthiopien. Wir wurden in einem sehr einfachen Hotel untergebracht, um es einmal sehr beschönigend zu sagen. Am zweiten oder dritten Tag besuchten wir für ein paar Stunden das Sheraton-Hotel am Ort, der reinste Prachtbau, Klimaanlage, schönste Bäder, Bars. Aber ich hätte dort nicht wohnen können. Es wäre mir unpassend vorgekommen. Ich hätte nicht am nächsten Morgen in das Dorf zu dem Projekt fahren können, in dem die Menschen unter einfachsten Bedingungen lebten. Es gibt Punkte, da sage ich, nein, es geht nicht, ich kann es nicht.

Ist Ihnen das ganze große Spendenbusiness nicht manchmal unheimlich?

Es gibt sicherlich zu viel davon. Aber wenn ich viel Geld für Menschen, die es nötig haben, sammeln kann, dann fühle ich mich gut dabei, weil ich etwas Gutes getan habe. Und ich bin jedem Spender dankbar. Wenn mir nach der Sendung ein Professor sagt, Herr Heck, wir haben mit Geld für ein Gerät gerechnet, jetzt können wir drei kaufen, dann ist das doch eine tolle Sache. Mich macht es glücklich, wenn ich Menschen helfen kann.

Spenden sammeln ist ein gutes Geschäft geworden. Das lockt doch.

Wenn von einer Million Euro dann tatsächlich 950 000 da ankommen, wo sie hingehören, wie es bei der Welthungerhilfe üblich ist, dann ist das eine ungeheure Sache. Ich habe mich selbst davon überzeugt, dass es so ist. Neulich habe ich eine Klinik für krebskranke Kinder besucht. Wenn ich diese Kinder sehe, dann weiß ich, dass ich nicht weniger, sondern noch mehr tun muss. Wenn ein Mädchen mit Augen ganz tief in den Höhlen zu dir sagt, „dich habe ich immer im Fernsehen gesehen, aber jetzt kann ich dich nicht mehr sehen, weil ich keinen Fernseher mehr habe“, dann reißt es dich.

Wie kalkuliert gehen Sie vor? Welche Zielgruppe haben Sie im Visier?

Gar keine. Wenn ich vor der Kamera stehe, stelle ich mir immer eine Familie vor, zu der ich spreche. Du musst dir jemanden vorstellen, Menschen. Du musst hinter der Kamera Augen und Ohren sehen, du musst sie fühlen. Wenn du diese Gabe nicht hast, dann geht es nicht.

Zwei Klischees begleiten Ihr Leben: guter Autoverkäufer und Schnellsprecher.

Jeden Tag eine Zeitung zu füllen, ist ja auch keine leichte Aufgabe. Aber wer das nach dreißig Jahren immer noch behauptet, der hat den Heck in den letzten dreißig Jahren nicht wahrgenommen.

Sie haben sich selbst schlecht verkauft. Das heißt doch: Sie sind gar kein guter Verkäufer.

Ich könnte jeden anderen gut verkaufen. Mich selbst – nein, kann ich nicht. Aber wenn einer zu mir kommt und sagt, ich mache da eine Firma auf, es gibt auch Korn und Bier, hätten Sie Zeit, dann bin ich fast schon so weit, nach Wanne-Eickel zu fahren.

Das Gespräch führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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