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Medien: Ein anderes Äthiopien

19 Fotografen führen ein Online-Tagebuch

Ashenafi liegt auf dem Boden, hält einen Fußball in beiden Händen und blickt ernst in die Kamera. Er trägt ein rotes Fußballtrikot und eine schwarze kurze Hose. Ashenafi ist fußballverrückt und lässt sich von seinen Freunden Ronaldo nennen. Er ist einer von 19 Äthiopiern, die seit zehn Tagen mit einer Digitalkamera ausgerüstet ein OnlineTagebuch führen. Bis Ende des Jahres stellen die Fotografinnen und Fotografen Bilder aus ihrem Leben ins Netz, geben den Fotos Titel und manchmal eine Beschreibung, was zu sehen ist.

Das Projekt wird von mehreren Hilfsorganisationen gemeinsam finanziert. Die deutsche Caritas ist mit 7000 Euro dabei. Insgesamt kostet es etwa 25 000 Euro. Achim Reinke, Sprecher der Caritas, sagt: „Uns ist wichtig, dass die Leute selbst zu Wort kommen.“ Und da es mit dem „Wort“ machmal etwas schwierig sei – schließlich kann in Äthiopien nicht jeder lesen und schreiben, und wenn ,dann nicht unbedingt englisch – haben sich die Initiatoren für Fotos entschieden. „Das ist eine unmittelbare Form, sich auszudrücken“, sagt Reinke. Vor etwa fünf Jahren hat die Caritas schon einmal ein ähnliches Projekt in Kenia unterstützt. Dabei ist am Ende ein Bildband herausgekommen. Ob das diesmal auch so sein wird, lassen die Initiatoren derzeit noch offen.

Die 19 Fotografen kommen aus unterschiedlichen Regionen Äthiopiens, aus der Hauptstadt Addis Abeba ebenso wie vom Land. Es sind junge Männer und Frauen dabei, ältere Stammesführer, eine Ordensschwester. „Wir wollten eine bunte Mischung haben“, sagt Reinke. In Workshops sind die Teilnehmer von einer professionellen Fotografin ausgebildet worden. Sie hat ihnen nicht nur gezeigt, wie die Digitalkameras funktionieren, und wie sie die Bilder ins Netz stellen können. Sie hat ihnen auch beigebracht, unterschiedliche Blickwinkel zu wählen. Die Fotos sind ausgesprochen gut.

Was allerdings nicht dabei herausgekommen ist, oder nur sehr bedingt, ist ein Einblick in den Alltag der Menschen in Äthiopien. So hat es die Caritas zunächst angekündigt. Stattdessen zeigen die Fotografen ein Äthiopien, wie sie es gerne hätten. Die Jungs sind so cool wie Hipp-Hopper in Amerika. Die Frauen schauen herausfordernd aus dem Foto heraus. Und die Kinder sind herzerwärmend. Tatsächlich bilden die Fotografen ihr Bild von dem ostafrikanischen Krisenstaat ab. Ein Äthiopien, auf das sie stolz sein können.

Eine große Rolle spielen in den Fotos Tiere – nicht wilde Tiere, sondern die Haustiere, Kamele, Ziegen, Büffel bei der Feldarbeit. Und dabei wird dann doch ein wenig vom Alltag der Fotografen sichtbar. In Äthiopien spielen die Haustiere eine existentielle Rolle, oft sind sie auch das wichtigste Einkommen für die Familien. Eine der Fotografinnen, die selbst bei einer Hilfsorganisation in Addis Abeba arbeitet, zeigt dagegen die Großstadt und das touristische Äthiopien. Oder Woki, über den weiter nichts zu erfahren ist, zeigt großartige Landschaftsaufnahmen. Eine besondere Rolle nehmen aber auch Zeremonien, Feiern und das Essen ein. Wer an Äthiopien denkt, erinnert sich vermutlich nur an verhungernde Kinder, die in den achtziger Jahren den Popstar Bob Geldof angeregt haben, die Live-Aid-Konzerte zu veranstalten. Wie zum Beweis, dass nicht in ganz Äthiopien noch immer gehungert wird, haben viele Fotografen Lebensmittel oder Szenen beim Kochen oder Essen fotografiert. Ein Äthiopier hat die Bilder auch entsprechend kommentiert. Er beklagte, dass sein Land in der Berichterstattung der Medien immer nur schlecht weg- komme. Deshalb ist er umso glücklicher, auf „Ethiopia-Lives“ einmal ein anderes Äthiopien zu sehen.

Allzu viele Einträge sind allerdings noch nicht eingelaufen. Achim Reinke weiß auch nicht, ob das Projekt „tatsächlich so interaktiv ist, wie wir es uns vorstellen“, und Besucher der Homepage auch Kontakt zu den Fotografen aufnehmen. Aber das kann ja noch kommen. deh

Die Online-Tagebücher kann man sich auf folgenden Homepages ansehen: http://www.ethiopialives.net oder www.caritas-international.de.

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