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Medien: Ein Fall für Hartz?

„Berliner Journalisten-Schule“ droht im Strudel der DJV-Querelen unterzugehen

„Was sollen wir machen?“, fragt Antonia Goetsch zurück. Das klingt bei ihr aber nicht resigniert, eher realistisch. Die 26-Jährige besucht seit Anfang April die „Berliner Journalisten-Schule“ (BJS). In 15 Monaten soll sie dort zur Redakteurin ausgebildet werden. Dass die Aussichten in der Medienbranche nicht gut sind, weiß die Berlinerin. Doch jetzt ist ein neues Risiko dazu gekommen: Ob die Journalistenschule überhaupt noch existiert, wenn Antonia Goetsch im Sommer 2005 ihren Abschluss machen soll. Die „BJS“ droht das heimliche Opfer eines verbandspolitischen Streits zu werden. Und was dagegen gemacht werden kann, weiß so recht keiner.

Der Grund für die Schwierigkeiten der „BJS“ liegt in einer Konstruktion, die eigentlich das größte Kapital der Schule ist. Im Unterschied zu den Journalistenschulen in Hamburg und München, an denen die Verlage Gruner + Jahr („Stern“, „Brigitte“) bzw. die „Süddeutsche Zeitung“ beteiligt sind, wird die „BJS“ nämlich von einem Unterverein des Berliner Landesverbandes im Deutschen Journalistenverband (DJV) getragen. Die Anbindung an die Gewerkschaft garantierte bisher, dass die Schule unabhängig von ökonomischen oder politischen Interessen von Verlagen oder Sendern agieren konnte. Nun droht die Verbindung zum DJV zum Abhängigkeitsverhältnis zu werden.

Die Geschichte nahm ihren Anfang im Frühsommer in Brandenburg. Kurz vor den Vorstandswahlen des Brandenburger DJV-Landesverbandes trat eine Gruppe von rund 40 Berlinern dem Verband bei, um Torsten Witt zum stellvertretenden Vorsitzenden zu wählen. Witt nennt sich selbst „nationalliberal“. Zu den Vorstandswahlen in der Hauptstadt wechselte die Gruppe in den DJV Berlin und sicherte dort dem umstrittenen Vorsitzenden Alexander Kulpok die Wiederwahl mit.

Eine Unterwanderung von rechts? In den Augen des DJV-Bundesvorstandes taten taten die Berliner und Brandenburger Verbände jedenfalls nichts, um die Vorwürfe zu entkräften. Daraufhin schloss der Bundesvorstand sie aus und betrieb die Gründung neuer Vertretungen, hier der „Verein Berliner Journalisten“, dort der „Brandenburger Journalisten-Verband“. Gegen den Ausschluss der alten Verbände konnte Kulpok jedoch eine einstweilige Verfügung erwirken – wegen formaler Fehler. Die bisherigen Verbände sehen sich deshalb noch immer als legitime Vertreter der Journalisten in Berlin und Brandenburg – aber das tun auch die beiden neu gegründeten Vereine.

Wer wen mit welchem Recht vertritt, das wird wohl erst im November und sicher auch vor Gericht geklärt werden. Im November kommt der Verbandstag des DJV zusammen und entscheidet darüber, ob die zwei Neugründungen als offizielle Landesverbände anerkannt werden. Trotzdem bestand der DJV in der Folge darauf, sich von seinen bisherigen Landesverbänden zu distanzieren und das auch bei seinen Geschäftspartnern in Berlin und Brandenburg kund zu tun – unter ihnen auch diverse Partner der „BJS“. Die riefen prompt in der Schule an und fragten, warum sich diese denn auf so einen dubiosen Verein eingelassen habe. Und wollten vorsorglich schon beschlossene Kooperationen wieder platzen lassen.

„Image ist alles bei einer Non-Profit-Organisation“, erklärt Christoph Reinhardt die schwierige Lage der Schule. Der Radiojournalist beim RBB ist Vorsitzender des Trägervereins der „BJS“. Mit dem DJV Berlin hat der Trägerverein nur indirekt, durch personelle Überschneidungen zu tun. Trotzdem ist der katastrophale Ruf des Landesverbands zur Hypothek geworden. Die Schule finanziert sich hauptsächlich aus Spenden und Fördermitteln aus dem EU-Strukturfonds, DJV-Gelder machen nur einen geringen Teil des Budgets aus. Sollten diese Gelder dieses Jahr nicht fließen, ist noch kein Ersatz in Aussicht. „Durch die Querelen ist es für uns sehr schwer geworden, jetzt noch Sponsoren zu finden“, sagt Reinhardt. Obwohl man die Ereignisse um die Vorstandswahlen mit Unbehagen verfolgt hat, steckt der Trägerverein in einem kaum zu lösenden Dilemma, denn er kann sich nicht vom alten Landesverband trennen. Zum einen nicht, weil dieser immer noch als offizielle Vertretung dient. Und zum anderen nicht, weil der alte Verband sich zur Fortführung der „BJS“ bekennt – im Gegensatz zum „Verein Berliner Journalisten“.

„Wir sind froh, dass wir bereits vier Wochen nach dem Start vom Punkt null die Grundaufgaben eines Journalistenvereins erfüllen können“, sagt Gerhard Kothy, Gründungsvorsitzender der „Berliner Journalisten“. Bei bislang rund 200 Mitgliedern reichen die Einnahmen gerade dazu, die Rechtsvertretung und –beratung zu garantieren. „Die Frage der Trägerschaft einer Journalistenschule stellt sich uns jetzt, in der Aufbauphase, gar nicht“, erklärt Kothy. Erst einmal müsse der Verein im November offiziell anerkannt werden, dann stehe er für Gespräche über die Zukunft der „BJS“ bereit.

Bis zum November warten? Der laufende Lehrgang ist finanziell gesichert, doch für die Jubiläumsklasse der „BJS“ könnte das zu spät sein. Im September nämlich soll der 20. Lehrgang ausgeschrieben werden.

Hannah Pilarczyk

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