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Medien: Ein Leben am Leuchttisch Zum Tode von „Stern“-Chef

Rolf Gillhausen

Als wir noch nicht im globalen Dorf lebten, wo mittags auf allen Bildschirmen zu sehen ist, wer morgens in Bagdad die Bombe zündete – das war Rolf Gillhausens große Zeit. Als Fotograf stürzte er sich 1956 für den „Stern“ in den Ungarn-Aufstand, fuhr durch verbotene Provinzen Chinas und heimste Preise ein für einen glücklichen Schuss: Der Boxer Peter Müller schlug Ringrichter Pippow k.o.

Doch der große Fotograf plante Größeres: Er gründete „Geo“ und wollte die Welt neu entdecken. Doch bald kehrte er zur „Wundertüte Stern“ zurück, holte die besten Fotografen zum Blatt. Die Hamburger Zellteilung lautete in jenen Gründerjahren: „Spiegel“-Herausgeber Augstein war der Kopf, „Stern“-Chef Nannen der Bauch, Gillhausen das Auge, später das Ober-Auge, weil ja viele dort sehen konnten.

Die Obsession, das beste Bild für ein Thema zu bekommen, bestimmte sein Leben am Leuchttisch. Da saß er Tag und Nacht mit der Lupe und suchte nach dem wahren Motiv. Die größten Fotokünstler warfen ihre Dias an die Wand, Erläuterungen unerwünscht. „Nicht schlecht“ war ein großes Lob und garantierte fünf Doppelseiten. „Für Herzkranke“ hieß: nicht sehr aufregend. Tiefpunkt auf der Richter-Skala: „Alles Gurken.“ Legendär die nächtliche Rache einiger Kollegen: Aus der nahen Kneipe mit Namen „Gurke“ entliehen sie sich das riesige Firmen-Emblem, schleppten es zum „Stern“-Gebäude und stellten es in „Gills“ Chefzimmer. Es änderte nichts am Vokabular der Verdammnis.

Gillhausen trieb weiter die Fotografen und Bildbeschaffer an, das Beste vom Besten herbeizubringen. Über Geld wurde nicht geredet, es wurde ausgegeben. Als ’81 der Papst angeschossen wurde, rief Gillhausen ins Telefon: „Da sind 100 000 Menschen auf dem Petersplatz, das sind 100 000 Fotografen – und ihr habt kein Bild mit der Pistole?“ Er schickte ein Team, das Cafés, Hotels und Jugendherbergen durchkämmte. Eine bayrische Schulklasse hatte die Filme „aus Scham“ in den Müll geworfen. Die „Stern“-Crew wurde fündig.

Viele haben gelernt bei Gillhausen, viele hat er gefördert. Es gab wenige Tabus und keine Verbote. Man lernte aus seinen Erfahrungen: Auf dem Titel nie Kinder, Häuser und Balletttänzer! Und keinen Schnee! Manche meinen, er sei der Vater der digitalen Fotografie von heute. Rolf Gillhausen starb am Sonntag mit 81 Jahren.

Der Autor war zwölf Jahre Ressortleiter und Reporter beim „Stern“.

Gerhard Krug

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