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Medien: „Ein Sieg für die Pressefreiheit“

Journalistenorganisationen und Medienvertreter begrüßen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Mit großer Zustimmung haben Journalisten, Medienverbände und Politiker der Oppositionsparteien gestern das Bundesverfassungsgerichtsurteil gegen die Durchsuchung der Redaktion des Magazins „Cicero“ aufgenommen. Den Karlsruher Richtern zufolge wurde durch die Aktion die Pressefreiheit verletzt. Auch die strafrechtliche Verfolgung des Chefredakteurs sei verfassungswidrig gewesen. Durchsuchungen seien generell nicht gerechtfertigt, wenn damit vorrangig Personen ermittelt werden sollen, die der Presse eine geheime Information zugespielt haben. Durchsucht werden dürfe nur, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Journalist Beihilfe zum Geheimnisverrat geleistet hat. Neben der „Cicero“-Redaktion wurde im September 2005 auch das Haus des Journalisten Bruno Schirra durchsucht. Dieser hatte zuvor für das Magazin einen Artikel verfasst, in dem er aus einem internen Bericht des Bundeskriminalamtes über den Terroristen Abu Mussab al Sarkawi zitiert hatte.

„Cicero“-Chefredakteur Wolfram Weimer sagte dem Tagesspiegel, dies sei ein „großer Tag für die Pressefreiheit“. Das Urteil bringe Rechtssicherheit für die Arbeit von Redaktionen. Für die Potsdamer Staatsanwaltschaft und das dortige Amtsgericht, das die verfassungswidrigen Durchsuchungen genehmigt hatte, sei der Richterspruch hingegen „eine heftige Ohrfeige“.

Erfreut zeigten sich auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), die von einem „Sieg“ beziehungsweise einem „Meilenstein für die Pressefreiheit“ sprachen. Nach dem gestrigen Urteil könnten Ermittlungsbehörden Journalisten nicht mehr einfach unter dem Vorwand der Beihilfe zum Geheimnisverrat überwachen, um dann deren Quellen aufzudecken, so der DJV.

Der Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft Wilfried Lehmann nannte das „Cicero“-Urteil „gut für beide Seiten“. Es schaffe auch für die Ermittlungsbehörden Rechtssicherheit. „Bisher war unklar, wann wir bei einem Anfangsverdacht durchsuchen dürfen“, so Lehmann. Fest steht, dass dies beim bloßen Verdacht einer Beihilfe zum Geheimnisverrat künftig kaum noch möglich sein wird. Es sei denn, die Staatsanwaltschaft kennt den „Geheimnisträger“ – also die Person, von der die Journalisten die Informationen haben – und kann nachweisen, dass dieser sein Geheimnis mit dem Ziel der Veröffentlichung weitergegeben hat.

Gleich von mehreren Seiten wurde die Forderung laut, gesetzgeberische Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen. Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), forderte,„dass die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Pressefreiheit im Sinne eines besseren Quellenschutzes klarer definiert werden“. Ähnlich äußerte sich der Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele, demzufolge das Parlament „dringend aufgefordert“ sei, Änderungen im Strafgesetzbuch vorzunehmen. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ forderte in einer Stellungnahme, Journalisten vom Paragrafen 353b des Strafgesetzbuches, der die Beihilfe zum Geheimnisverrat unter Strafe stellt, auszunehmen. Zudem sollten Telefongespräche von Journalisten künftig vor Überwachungsmaßnahmen geschützt werden.

Die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Sabine Leutheusser-Schnarrenberger lobte die „überfällige Stärkung“ der Pressefreiheit. Diese sei aber trotz des Urteils noch gefährdet. Vorhaben wie die Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung stellten nach wie vor eine massive Gefahr für den Informantenschutz dar.

Der investigative Journalist Hans Leyendecker von der „Süddeutschen Zeitung“ bezeichnete das „Cicero“-Urteil als „deutliche Stärkung des Informantenschutzes“. Für Staatsanwälte sei es künftig „fast unmöglich, in Redaktionsräume einzudringen“. Wenn es nur darum gehe, ein Informationsleck ausfindig zu machen, werde es dafür keinen Durchsuchungsbeschluss mehr geben. Den gebe es nur, wenn ein Geheimnisträger zugebe, Informationen an einen Journalisten weitergegeben zu haben, mit dem Ziel der Veröffentlichung. „Aber den Fall habe ich noch nicht erlebt.“ Genau das kritisierte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Gehb, im „Handelsblatt“. Sein Einwand: Durchsuchungen seien nur noch „in akademisch zu konstruierenden Fällen“ möglich.

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