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Medien: Eine Schicht in Kirchs Fußballfabrik

Hauptsache, es hört nicht auf zu regnen. Das ist der Albtraum eines Fernseh-Bildtechnikers: Wenn die Sonne während des Fussballspiels kurz herauskommt, hinter einer Wolke abtaucht, dann wieder hervorblinzelt.

Hauptsache, es hört nicht auf zu regnen. Das ist der Albtraum eines Fernseh-Bildtechnikers: Wenn die Sonne während des Fussballspiels kurz herauskommt, hinter einer Wolke abtaucht, dann wieder hervorblinzelt. Dann stimmen Farben und Kontraste auf dem guten Dutzend Monitore im Übertragungswagen nicht mehr, Ball und Spielergesichter verschwimmen zu hellen Punkten. Lieber Dauerregen. Den sehen die meisten Mitarbeiter von Kirchs Sportübertragungsfirma Plazamedia ohnehin nur auf dem Bildschirm, weil die Übertragungswagen im Trockenen stehen: in den Katakomben unter der Zuschauertribüne. Unterm Regen leiden von der Kirch-Truppe nur die Kameraleute, die mit roten Premiere-World-Leibchen am Spielfeldrand stehen. Ein Mann oder eine Frau pro Kamera. Mindestens acht, höchstens 16 Kameras pro Stadion, je nachdem, wie wichtig das Spiel ist. Und manchmal hängen sogar winzige Fingerkameras in den Maschen des Tornetzes.

Für 750 Millionen Mark im Jahr hat die Kirch-Gruppe die Bundesliga-Rechte gekauft. Und um die Fußballbilder im Bezahlfernsehen an den Abonnenten zu bringen - schätzungsweise 2,4 Millionen Abonnenten sind es zur Zeit -, wird ein gewaltiger Aufwand betrieben: 500 Mitarbeiter braucht die Produktionsfirma Plazamedia an einem Bundesligawochenende allein in den Stadien, weitere 150 im Sendezentrum in Ismaning.

Samstagmorgens um zehn Uhr beginnt die Fußballfabrik zu arbeiten. In sieben Stadien rollen gleichzeitig die Übertragungswagen an. Riesige Laster, die an Toilettenwagen erinnern - schon allein deshalb, weil man über große Metalltreppen ins Innere klettert. Vor unzähligen Monitoren, Schiebereglern und Drehknöpfen sitzen dort die Regisseure, Bild- und Tontechniker. Manche werden eigens eingeflogen, Plazamedia betreibt deshalb ein eigenes Reisebüro. Sobald die Kabelhilfen die Stadien mit einem Netz von 200 Kilometern Kabel überzogen haben, beginnt in den Übertragungswagen die Arbeit: Kameras werden getestet, Leitungen zum zentralen Schaltraum in Ismaning bei München aufgebaut. Noch muss Kirchs Fußballimperium dafür das Glasfasernetz der Telekom anmieten, doch bis 2006 soll der so genannte Stadionring fertig sein: ein eigenes Glasfasernetz.

Samstag, 15 Uhr 30, Anpfiff in sieben Stadien. 21 Kommentatoren sitzen vor ihren Mikrofonen. Jedes Spiel wird dreifach kommentiert, weil Plazamedia nicht nur die Live-Übertragungen für Premiere-World, sondern auch den Premiere-World-Konferenzkanal und die Spielberichte für "ran" auf Sat 1 produziert. "Sie sind unmittelbar am Spielfeldrand und genießen ein Live-Erlebnis," wirbt Premiere-World-Marketingleiterin Martina-Stephanie Brenner. Für die Reporter ist "live" ein dehnbarer Begriff. Am nächsten am Geschehen sind die Premiere-World-Reporter, die das ganze Spiel von der Pressetribüne aus kommentieren. Die Mehrzahl sitzt jedoch auf dem Produktionsgelände der Plazamedia in Ismaning, in einem zweigeschossigen Bürocontainer, und verfolgt auf dem Fernsehbildschirm jeweils eine Partie. Es wird von Containerzelle zu Containerzelle geschaltet - der Ablaufregisseur gibt das Kommando. Wie wichtig der Mann ist, ergibt sich schon aus der Zahl der Mitarbeiter, mit denen er per Head-Set verbunden ist: 49 Techniker und Reporter sind es. Er muss blitzschnell entscheiden, welches Spiel gerade das spannendste ist. Tor in Dortmund, meldet der Konferenzreporter für das Spiel der Borussen gegen die Bayern. Ein kurzer Blick auf die Bildschirmwand mit 56 Monitoren. "Wir gehen auf die drei. Und ab!" Auf Abruf werden die Grafiken eingeblendet: Mannschaftsaufstellung, Spielstand, Torschütze.

In einem Nachbarraum wird jedes Spiel simultan von Studenten fürs Archiv ausgewertet. Welcher Spieler flankt wann von welcher Seite? Wer foult wen? Blitzschnell zucken die Computermäuse über eine spezielle Unterlage mit entsprechenden Symbolen, klicken Spielzug für Spielzug in den Fußballcomputer, der bereits die Spiele der vergangenen dreißig Jahren gespeichert hat. Und dank diesem Computer können die Kommentaren mit Statistiken punkten. Auch die Moderatorin der Premiere-Fußball-Sendung, Monika Lierhaus, kann die Zahlen für ihre Texte manchmal gut brauchen.

Von Ismaning aus müssen die Fußballbilder dann noch auf die deutschen Bildschirme gelangen - als fertige Sendung für Premiere-World-Abonnenten oder als Rohmaterial für andere Sender, die auf Kirchs Zulieferung warten. Hauptschaltraum 2 heißt das Herz des Monopols, an dem keiner vorbeikommt, der deutschen Bundesligafußball zeigen will. Denn seit Kirch die Bundesligarechte gekauft hat, herrscht in deutschen Stadien eine strenge Kleiderordnung: Bis zehn Minuten nach Spielende dürfen nur Kameraleute drehen, die ein rotes Premiere-World-Leibchen tragen.

Annika Ulrich

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