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Medien: Eine Show, als Staatsakt verkleidet

Beim TV-Duell zeigt sich die Selbstüberschätzung des Fernsehens, es könnte Wahlen entscheiden

Das Interessante am TV-Duell Angela Merkel gegen Gerhard Schröder war weniger die Konfrontation von Titelverteidiger und Herausfordererin als die Überzeugung des Fernsehens, es könne Wahlen entscheiden. Eigentlich weiß man ja, dass das nicht so ist. Die Politiker stellen ihre Programme vor, die Medien vermitteln, und die Wähler machen ihr Kreuz. Sie tun es aus Interesse und nicht, weil sie irgendwas im Fernsehen gesehen haben. So dachte man bis jetzt. Bis das Duell und seine nachgerade die Wahlen vorwegnehmende Einleitung „Vor dem Duell“ und die anschließende Begutachtung „Nach dem Duell“ auf vier großen Fernsehsendern einen ganz anderen Eindruck hervorriefen: Als sei es die televisionäre Präsentation von Kanzler und Kandidatin, die den Wechselwähler umstimmt und den Unentschlossenen zur Entscheidung drängt. Als sei das Duell die finale Kraftprobe, die das Schicksal Deutschlands bestimmt. Es fehlten nur noch die Hochrechnungen.

War doch die Sendung erst mal schon eine Meldung in der „Tagesschau“ wert! Fernsehen macht sich selbst zur Nachricht. Danach wurden Schröder und Merkel gezeigt, wie sie samt Tross auf das Studio in Berlin-Adlershof zustrebten – bestens in Form. Und auf die Redeschlacht folgte sogleich die „Analyse“ mit Ausschnitten, Blitzumfragen, „Profilvergleich“ und Prozentrechnungen, aus denen sich ablesen lassen sollte, wie viele unter den noch unentschlossenen Wählern jetzt durch das Duell zu einer festen Meinung gefunden hatten. „Sekundanten“ aus beiden Parteien, Journalisten aus dem In- und Ausland und selbst das Volk von der Straße kommentierten vor Kamera und Mikrofon das Geschehen. Bis alle überzeugt sein konnten: Was sich da ereignet hat, war ein Staatsakt. Das deutsche Fernsehen hat Geschichte gemacht. Bloß leider steht nichts davon in der Verfassung und wohl auch nicht in den Regularien des Wahlverfahrens.

Man wollte aber unbedingt noch einen Mehrwert rausschlagen aus der Sache, wollte als Fernsehmacher in typischer Selbstüberschätzung messen und gewichten, welchen Einfluss das Duell auf den deutschen Wähler und die kommende Wahl hat – und dieser Einfluss wurde durch das enorme Gedöns rund um die Sendung mächtig hochgebeamt.

Dabei war das Ganze doch nur eine Show. Angela Merkel und Gerhard Schröder haben ihre verdammte Pflicht getan und Wahlkampf in der Glotze gemacht. Vier Journalisten haben sich die üblichen Fragen zurechtgelegt und gottlob dafür gesorgt, dass die strengen Vorgaben, was Reihenfolge, Redezeit und Themenblöcke betraf, nicht weiter auffielen. Die Show wurde professionell durchgezogen und hat gezeigt: Schröder hat sein kommunikatives Niveau gehalten, Merkel rhetorisch dazugelernt. Mehr war nicht. Und selbst der eine oder andere noch unentschiedene Wähler, der in der Umfrage zu Protokoll gab, dass er nun für Merkel sei, die allen Unkenrufen zum Trotz eine gute Figur gemacht habe, braucht sie trotzdem am übernächsten Sonntag nicht zu wählen. Man hat ja schon mal geargwöhnt, dass Parlament und Gesetzgebung ins Fernsehen und vor allem in Sabine Christiansens Polittalk rübergewandert seien und dabei die Ausschüsse vergessen, in denen die eigentliche legislative Tüftelei stattfindet.

Auch der Versuch des Fernsehens, die Wahlen an sich zu ziehen, sagt mehr über das Medium und seine Macher als über den Zustand der Demokratie. Die Moderatoren des Duells übrigens forderten das Publikum mehrfach auf, doch bitte zur Wahl zu gehen. Wahrscheinlich befürchteten sie, dass Wahlvolk glaube, eine Meinungsbildung vorm Fernsehschirm reiche aus, und es habe mit seiner Antwort auf die Blitzumfrage bereits gewählt.

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