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Medien: Eine Stimme voller Risse

„Asyl im Paradies“: Eine sehr intime Dokumentation über die DDR-Rocksängerin Tamara Danz im RBB

Vielleicht war sie das Gesicht der späten DDR, der Vorwende-DDR. Eines, dem man sich noch immer nicht entziehen kann, weil es viel mehr ausdrückte als sich selbst – eben die Atmosphäre einer Endzeit. Darum ist es auch egal, ob man ihre Musik mochte oder nicht. Oder gar sie selbst, Tamara Danz, mit ihrer Tina-Turner-Mähne, die sie auf dem Plattencover von „Bataillon d’amour“ wie ein Flammenkranz umgibt. Und auf der Stirn, über der Nase trug sie diesen dunklen Streifen wie eine Gezeichnete – war es Blut, war es Tinte? Es war die Rhetorik der Einsamkeit und des Trotzes. „Bataillon d’amour“ wurde 1986 das Album des Jahres in der DDR, es erschien auch in der Bundesrepublik.

Vielleicht kann keiner genau sagen, was diese Tamara Danz getan hat, dass die Wahl ausgerechnet auf sie fiel, zur Ikone eines Untergeher-Landes zu werden. Vor genau zehn Jahren, am 22. Juli 1996, ist sie in Berlin gestorben. Der Krebs war stärker als sie. Nun hat Peter Kahane noch einmal einen Dokumentarfilm über Tamara Danz gemacht. Es ist ein sehr privater, fast intimer Film geworden. Eher ein Film über die Lücke, die sie bei „Silly“ hinterließ und die sich bis heute nicht geschlossen hat. Natürlich nicht. Gespräche mit Ritchie Barton und Uwe Hassbecker, die noch immer „Silly“ sind und doch wissen, wie unmöglich das ist ohne ihre Sängerin. Sie hatte ja nicht nur die Haare von Tina Turner. Da war eine ähnlich kreatürliche Urkraft in ihrer Stimme.

Fast kein Wort über die Anfänge, als Tamara Danz in den Siebzigern noch beim „Oktoberklub“ gesungen hat. Aber dafür eine Urszene vor allem Anfang: die Eltern der Diplomatentochter aus Thüringen werden bei ihrer Rückkehr aus Syrien noch auf dem Flughafen verhaftet. Das frühe Wissen, dass die Welt Risse bekommen kann, ganz unvermutet. So sang sie auch. Eine Stimme voller Risse.

Und dann sah man Tamara Danz in den Nachwende-Talkshows sitzen. Noch immer mit der Tina-Turner-Mähne, aber die hat sie jetzt wahrscheinlich anders hergestellt. Schon weil es das grässliche DDR-Trockenshampoo und das klebrige Haarspray nicht mehr gab, das sie früher nahm, während andere noch Rezepturen mit Zuckerwasser versuchten. Sie war nun eine Sachverständige Ost, aber die alte Aura des Trotzes war ungebrochen. Oder war da schon ein neuer Trotz? Denn auch „Silly“ erfuhr 1990, was es heißt, von heute auf morgen fast vergessen zu sein. Nur für einen kurzen Geschichtsaugenblick, aber der kann lang sein. Tamara Danz und „Silly“ nahmen gerade ein neues Album auf, als sie die Krebs-Nachricht traf. Das Album hieß „Asyl im Paradies“.

„Asyl im Paradies – Tamara Danz“: RBB, 22 Uhr 30

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