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Medien: Einspruch!

Bilanz des Werberats: Beschwerden nehmen zu, Rügen nehmen ab

Wenn halbnackte Frauen mit anzüglichen Sprüchen für eine redaktionelle Serie der „Bild“-Zeitung werben und dies einigen Leuten dann doch zu weit geht, ist das ein Fall für den Deutschen Werberat. Die Institution soll zwischen werbenden Firmen und Verbrauchern vermitteln. Es geht darum, moralische Werte zu schützen und damit eine Diskriminierung oder Gefährdung von Personen zu verhindern.

Je lauter die Beschwerden gegen die „Bild“-Kampagne wurden, desto mehr Aufmerksamkeit schenkte man der Werbung. Den Gegnern ist es damals nicht gelungen, die Kampagne zu stoppen. Und auch der Werberat sah dazu keinen Grund. Da die Kampagne für redaktionelle Inhalte werbe, wurde der Vorwurf der entwürdigenden Darstellung von Frauen mit dem Hinweis auf die Pressefreiheit zurückgewiesen.

Über tausend Beschwerden aus der Bevölkerung erreichten den Werberat allein wegen der „Bild“-Kampagne im vergangenen Jahr. Nur die Benetton-Anzeigen lösten Anfang der 90er Jahre eine ähnlich starke Protestwelle aus. Entsprechend hoch war die Gesamtzahl der im vergangenen Jahr eingegangenen Beschwerden beim Deutschen Werberat. Sie lag mit 1985 Zuschriften dreimal höher als im Vorjahr. Die Zahl der Werbeaktionen, gegen die Einspruch erhoben wurde, verringerte sich jedoch von 421 auf 389. Für 270 davon fühlte sich der Werberat zuständig. Jürgen Schrader, der Vorsitzende des Werberates, sieht darin eine positive Entwicklung: „Die Firmen werden sensibler im Umgang mit den Bedürfnissen der Menschen.“

In 30 Prozent der Fälle, insgesamt also 81 Mal, konnten sich die Beschwerdeführer im vergangenen Jahr durchsetzen. In 67 Fällen erklärten sich die Werbetreibenden bereit, die beanstandete Reklame nicht mehr zu schalten. Weitere acht Kampagnen wurden verändert. Öffentlich gerügt wurden sechs Aktionen, das sind drei mehr als im Vorjahr. Nicht akzeptabel fand man zum Beispiel, dass ein Schweizer Fleisch-Maschinen-Hersteller mit einem Frauengesäß neben der Schinkenpresse warb, und zwar mit den Worten: „Jeder Schinken braucht die korrekte Behandlung.“ Abgemahnt wurde auch die Autovermietung Sixt, die ihre Leasingangebote anpries, indem eine Kundin einem Mitarbeiter eine Pistole in den Mund hält, um die günstigen Tarife zu erfahren.

Oft sei die Fantasie der Beschwerdeführer größer als das, was die Werbung meine, begründet Jürgen Schrader die relativ geringe Zahl der vom Werberat tatsächlich beanstandeten Fälle. Häufigster Anlass für Beschwerden ist unverändert die Herabwürdigung von Frauen (siehe Grafik). Die Annahme, dass die wirtschaftliche Lage und der Wettbewerbsdruck eher zu Grenzüberschreitungen in der Werbung führe, ist nach Meinung des Werberates falsch. Die Firmen seien ganz im Gegenteil vorsichtig, denn sie wissen „Aufsehen bedeutet nicht gleich Ansehen“, sagte der Sprecher des Gremiums, Volker Nickel.

Dana Ifflaender

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