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Medien: Einstürzende Elbbrücken

Viel Aufregung um Kerners Talk, einen gebetenen Gast und einen Rauswurf

Eigentlich könnte man Johannes B. Kerner gratulieren: Seine Talk-Show am späten Dienstagabend sahen 2,65 Millionen Zuschauer, Durchschnitt sind 1,7 Millionen. Das entspricht einem Marktanteil von 18,1 Prozent. Kerners Talk erzielte die höchste Einschaltquote des Jahres und hat sich – wo alle vom neuen harten ARD-Talk à la Anne Will und Frank Plasberg schwärmen – selbst wieder groß ins Gespräch gebracht. Grund: Eva Herman, die umstrittene Ex-Moderatorin. Man hatte sie ja fast schon ein bisschen vergessen. Kerner nicht. Der ZDF-Talker lud Herman ein, schloss die 48-Jährige aber nach 50 Minuten aus seiner Sendung aus, weil sie ausweichend auf Fragen nach ihren heftig kritisierten Äußerungen zur NS-Zeit geantwortet hatte und auch die anderen Gäste Margarethe Schreinemakers, Senta Berger und der Komiker Mario Barth ihren Unmut geäußert hatten. „Ich wollte wissen, was Eva Herman wirklich denkt. Als ich gemerkt habe, dass sie ihre missverständlichen Äußerungen nicht aufklären kann, habe ich sie freundlich verabschiedet“, sagte Kerner nach der Aufzeichnung der Show einer großen Boulevardzeitung.

Die machte mit dem „Eklat“ am Mittwoch gute Schlagzeilen. Die frühere „Tagesschau“-Sprecherin sagte bei Kerner, sie habe keine Fehler gemacht und sich nicht missverständlich über die Familienpolitik im Dritten Reich geäußert. Sie warf der Presse vor, sie falsch zitiert zu haben und betonte, dass man nicht mehr über den Verlauf der Geschichte reden könne, ohne sich zu gefährden. Daraufhin sagte Kerner, dem wie seinem ARD-Kollegen Beckmann vorgeworfen wird, den Gästen gegenüber zu weich zu sein: „Ich entscheide mich für die anderen drei Gäste und verabschiede mich von Eva Herman.“ Das ist alles übrigens nachträglich zu verfolgen im Internet in der ZDF-Mediathek. Programmdirektor Thomas Bellut begrüßte die Entscheidung Kerners, der Herman schon Mitte September eingeladen hatte, aber auf Intervention des Senders wieder auslud. Ein Sprecher sagte, dass jetzt mit einem gewissen Abstand der richtige Zeitpunkt gekommen sei, sie erneut einzuladen.

Kerner fragte recht unnachgiebig. Die frühere NDR-Moderatorin versuchte sich von rechtsextremen Bestrebungen zu distanzieren. Herman empfinde es als unerträglich, dass Parteien wie die NPD versuchten, sie zu vereinnahmen. Es werde eine „braune Keule“ über ihr geschwungen, da sie sich für Familienwerte einsetze, die verloren gegangen seien. Kerners Gäste, Senta Berger, Mario Barth und Margarethe Schreinemakers zeigten sich während der Sendung fassungslos angesichts dieser Äußerungen. „Das kann nicht sein, was Du hier sagst“, so Schreinemakers. „Bisher dachte ich, sie habe sich nur missverständlich geäußert. Aber sie hätte sich heute mit einem Satz entschuldigen können. Stattdessen hat sie mit weiteren Argumenten ihre Position bewahrt“, wurde Schreinemakers in der „Bild“ zitiert. Historiker Wolfgang Wippermann, der als Experte in die Show geladen war, sagte, er habe Herman unterstützen wollen. „Als sie plötzlich über Autobahnen bei Hitler sprach, war das Gejohle im Publikum groß. Da geriet sie mit ihrer Terminologie in eine problematische Ecke.“ Der NDR hatte sich vor einem Monat von Herman wegen ihrer Äußerungen zur NS-Familienpolitik bei der Vorstellung ihres neuen Buches getrennt. Mittlerweile hat Eva Herman Klage dagegen eingereicht.

Gegen Kerner wird sie wohl nicht klagen. Der Rauswurf einer umstrittenen Moderatorin – wird Kerner jetzt ein zweiter Plasberg? Man kann sich zu alldem verschiedene Gedanken machen, auch den, der zum Ende kommt: programmierter Eklat, Inszenierung nicht ausgeschlossen. Laut ZDF-Sprecher Alexander Stock wäre Kerner von Hermans Auftritt selbst überrascht gewesen. Beide kennen sich, Kerner hätte Herman eine Brücke bauen wollen. Sie hätten nach der Show auch wieder miteinander gesprochen. Offenbar haben sich die Wogen schneller geglättet, als es während der Sendung den Anschein hatte. Ob Kerner, Schreinemakers, Berger oder Barth – zur Show und, vor allem, zu dem, was danach passierte, wollte oder konnte gestern kein direkt Beteiligter Stellung nehmen. Auch nicht Herman. Schon gar nicht zu der Frage, ob oder wann Eva Herman der nächsten Talkshow zu guten Quoten verhilft.

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