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Electronic Publishing: Sexy Neuzugang

Einen Monat gibt es das iPad in Deutschland. Längst nicht alle Verlage sehen in dem Tablet-PC die Rettung.

Das Nesthäkchen kommt aus München, sieht schick aus und entsprechend hoch sind die Erwartungen an seine Wirkung: Noch mehr Leser soll es anlocken, neue Erlösquellen auftun. So hofft es der Verlag Condé Nast, der am Freitag sein Hochglanzmagazin „Vogue“ mit einer Applikation aufs iPad gebracht hat.

Es ist der jüngste Neuzugang eines deutschen Verlages in Apples Online-Shop. Seit dem 28. Mai, also genau einen Monat, ist der Tablet-PC des US-Herstellers in Deutschland erhältlich, seither sind deutsche Zeitungs- und Zeitschriftenhäuser mit eigenen Apps im Apple-Kiosk vertreten – viele sind es nicht. Verwunderlich, nachdem es in fast allen Zeitungen nahezu messianisch gefeiert und als neuer Heilsbringer der Branche angekündigt wurde. Denn die Hoffnung der Branche ist, durch die kostenpflichtigen Apps zumindest einen Teil der schrumpfenden Vertriebs- und Anzeigenumsätze auszugleichen. Nun aber warten viele Verlage doch lieber ab, wie das neue Gerät in Deutschland ankommt.

Die Signale sind positiv. Die Verlage, die seit dem Start des iPads in Deutschland mit eigenen Apps dabei waren, sind mit dem Interesse ihrer Leser nach den ersten vier Wochen zufrieden. Dazu gehören der Spiegel-Verlag, der Axel Springer Verlag („Bild“, „Welt“) und der Burda-Verlag („Focus“, „Bunte“). Allerdings hatten sie ihre Apps zunächst kostenlos angeboten. Erst wenn einige von ihnen nun auf Bezahlinhalte umstellen, wird sich zeigen, wie nachhaltig das Interesse der Leser wirklich ist.

Mehrere zehntausend Mal sei die App des „Spiegels“ schon abgerufen worden, sagte „Spiegel“-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron kürzlich. Das Nachrichtenmagazin bietet eine eigens für das iPad entwickelte Applikation des „Spiegel“ an, mit der der vollständige Inhalt des Heftes in einer neuartigen Optik – erweitert durch verschiedene multimediale Inhalte – präsentiert wird. Der Download einer Ausgabe kostet 3,99 Euro, das reguläre Abonnement wie das des Printtitels 3,65 Euro pro Ausgabe. Zurzeit allerdings steigen die Downloads der „Spiegel“-Apps kaum weiter an – nicht etwa, weil die Leser das Interesse verlieren, sondern weil das iPad oft ausverkauft ist und damit auch keine neuen Leser hinzukommen können. Um die 50 000 iPads dürften bisher in Deutschland verkauft worden sein, schätzen Branchenkenner. Apple nennt nur die weltweiten Zahlen: mehr als drei Millionen Mal sei das Gerät, das in den USA bereits seit 80 Tagen zu haben ist, verkauft worden.

500 Stück sind im Springer-Verlag gelandet, Vorstandschef Mathias Döpfner hat sie seinen Mitarbeitern geschenkt. Der Verlag ist mit einer „Welt“-App sowie einer App des Lifestyle-Magazins „The Iconist“ im Apple-Store vertreten, zudem werden am sogenannten iKiosk beispielsweise Ausgaben der „Bild“, „Welt“ oder „Hamburger Morgenpost“ als PDF-Version fürs iPad angeboten. Konkrete Zahlen zu den Downloads der einzelnen Marken nennt der Verlag nicht, „wir sind mit den Reaktionen sehr zufrieden“, sagt Springer-Sprecher Tobias Fröhlich. Welche Erlöse sich der Verlag von den iPad-Apps erwartet, dazu macht Fröhlich keine Angaben. „Das iPad soll und kann auch kein Allheilmittel für die Branche sein, aber es ist ganz sicher eine große Chance und ein neuer Kanal, um unsere Marken zu den Lesern zu bringen.“

Ausgerechnet Gruner + Jahr („Brigitte“, „Stern“), Europas größter Zeitschriftenverlag, zeigt sich zurückhaltend und will erst in den nächsten Monaten eine App fürs iPad starten. „Wir sind nicht der Meinung, dass man auf Biegen und Brechen sofort von Beginn an dabei sein muss“, sagt G+J- Leiter Public Affairs Thilo von Trott, „man muss den Lesern echten Mehrwert durch qualitativ hochwertige Inhalte kombiniert mit multimedialen Anwendungen bieten, damit sie bereit sind, für die Inhalte zu zahlen “, sagt von Trott.

Bei Burda hat man sogar ein Innovation-Lab, ein Labor für Innovationen, gegründet, um für die Herausforderungen des digitalen Zeitalters gewappnet zu sein. Heiko Hebig ist Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung – und ist ebenfalls skeptisch, ob das neue iPad hohe Erlöse für die deutschen Verlage bringen kann. Selbst wenn mehr als 500 000 iPads in Deutschland verkauft werden sollten, sei die Zahl der potenziellen Kunden damit für die großen deutschen Medienhäuser noch immer zu klein. „Sie müssen sich sehr genau fragen, ob es sich für eine relativ kleine Zielgruppe lohnt, so viel Geld und Arbeit zu investieren, um Apps zu entwickeln“, sagt Hebig.

Trotzdem hat Burda für sein Nachrichtenportal Focus Online eine App fürs iPad gestartet, 40 000 Mal sei diese bereits installiert worden. Die App ist vorerst kostenlos und soll sich durch Werbung refinanzieren. Weitere Apps von Burda-Titeln stehen kurz vor dem Start, sagt Hebig. Doch auch er sieht die Grenzen: „Das iPad ist wie ein Zweitwagen: verdammt sexy zu haben, aber nicht wirklich notwendig“, sagt Hebig. Denn es könne nicht wie das iPhone ein Telefon ersetzen , sondern immer nur Zweitlaptop sein. Und dafür zwischen 500 und 800 Euro auszugeben, würden sich viele Leute überlegen.

Problematisch sei für die Verlage auch, dass Apple sich vorbehalte, die Inhalte der Apps zu kontrollieren. No Sex please, heißt die Devise des US-Unternehmens. Nackte Busen, wie sie in Burdas Magazin „Playboy“ zu sehen sind, haben keine Chance. Zugunsten seiner Moralvorstellungen verzichtet Apple auf die 30 Prozent des Verkaufserlöses, die es als App-Store-Betreiber von den Verlagen kassiert. Bei der „Vogue“ hatte das US-Unternehmen offensichtlich keine Bedenken – gut, dass der Transparent-Look gerade nicht in Mode ist.

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