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Medien: „Emotionalisierung ist gefährlich“

RTL-Reporterin Antonia Rados will so kühl wie möglich aus Bagdad berichten

Frau Rados, wie läuft die Berichterstattung?

Sie wird mit jedem Tag schwieriger, weil wir alle übermüdet sind. Wir versuchen, unsere Kräfte einzuteilen, weil wir auch wissen, dass das Schlimmste noch bevorsteht. Wir arbeiten uns Tag für Tag vor. Planen ist unmöglich.

Die Front rückt näher. Sie aber werden bleiben?

Meine Position war immer die: Wenn die Berichterstattung unmöglich ist oder mich permanent in Gefahr bringt, dann werde ich gehen. Ich bin ja nicht hier, um hier zu sein, sondern um zu berichten.

Wie ist die Stimmung unter den Journalisten?

Es sind wirklich nur noch die in Bagdad, die beschlossen haben, hier zu sein. Wir sind jetzt wie eine große Familie: Wir bekochen einander, wir helfen einander – da gibt es untereinander keine Grenzen mehr.

Wie begegnen Ihnen die Menschen auf den Straßen?

Zwischen Freundlichkeit und Neutralität. Keine Bedrohung, keine bedrohlichen Gesten. Ich kann mich nach wie vor relativ frei in der Stadt bewegen. Gestern habe ich zum Beispiel bei einer Familie gedreht. Natürlich war der Aufpasser wie immer dabei.

Am Sonntag sah man Iraker, die quasi eine Treibjagd auf einen alliierten Piloten veranstalteten, der sich nach Abschuss am Ufer des Tigris versteckt haben sollte.

Man sieht das mit Entsetzen, weil es ein bisschen auch der Vorbote kommender Dinge sein könnte. Es war der eigentlich symbolische Clash zwischen Irakern und Amerikanern in Bagdad. Das war die erste Szene, wo ich gesagt habe, hoppla, das ist Krieg, so sieht der aus.

Wissen Sie, wo der Amerikaner steht?

Mein Fenster zur Welt ist ein BBCKurzwellenradio. Da erfahre ich, was Sie erfahren. Das muss ich auch haben, sonst könnte sich ein Stockholm-Syndrom einstellen: in Bagdad, umgeben von Irakern, die Distanz zur Situation, zu den Irakern verlieren. Diese falsche Solidarität zu verhindern, helfen mir die ausländischen Quellen. Was auf der anderen Seite sehr beeindruckend ist, ist die Organisation des Regimes, seine Informationen in die Welt zu kriegen. Wir haben jeden Tag Minister, Vizepräsidenten, die uns zur Verfügung stehen. Das ist eine bisher nicht da gewesene Art und Weise, Information zu machen.

Der eigentliche Krieg wird so wichtig genommen wie der Informationskrieg.

Wir wissen ja, dass der Informationskrieg eigentlich der wichtigere ist, freilich nicht, weil wir Journalisten so wichtig sind. Natürlich befinden wir uns in einer Schräglage: Wir bekommen Informationen über Opfer in der Zivilbevölkerung, aber keinerlei Angaben über das Militär. Wir haben Angaben über tote GIs, über Briten, die abstürzen, wir haben aber keine verlässlichen Angaben über den Vormarsch der Alliierten. Da passt nichts zusammen, und man kann nur hoffen, dass sich die Zuschauer aus dem Gesamtbild etwas herausholen. Nur aus Bagdad zu berichten, gibt nicht die richtige Sicht, nur von den Amerikanern zu berichten, auch nicht. Versteht das breite Publikum, was das alles soll? Ich weiß das nicht.

Was hören Sie, wie die Deutschen diesen Krieg wahrnehmen?

Ich nehme darauf sehr wenig Rücksicht. Man darf sich nicht davon beeinflussen lassen, ob die Nachrichten, die man mit vollster Überzeugung und gutem Gewissen von Bagdad aus weitergibt, ankommen oder nicht. Das ist nicht meine Aufgabe. Meine Aufgabe ist es, zu versuchen, so nahe wie möglich an der Wirklichkeit hier in Bagdad zu berichten, und dabei alle Quellen zu nutzen, die ich bekommen kann. Ob das den Leuten in den Kram passt, das kann mich nicht berühren. Ich kann mich da nicht manipulieren lassen. Ich kann die Dinge nicht hoch- oder runterspielen, damit die Zuschauer den Eindruck bekommen, das ist eine gute Berichterstattung. Die Emotionalisierung ist gefährlich. Man muss versuchen, das ganz bewusst kühl zu machen.

Was doch verblüfft, sind die Bilder von Bagdad in der Nacht: Alle Lichter brennen, die Kameras übertragen live.

Das ist die große Neuerung in diesem Krieg. Tagsüber berichten die Journalisten vom Informationsministerium, bei Einbruch der Nacht verschwinden alle von hier. Was aber bleibt, sind auf dem Dach die fest installierten Kameras der ausländischen Stationen, die 24 Stunden live übertragen: nach Köln, Washington, New York, Rio de Janeiro. Die Zuschauer in aller Welt wissen in derselben Sekunde wie ich, wann hier wieder geschossen wird. Da stehen also Roboter-Kameras in Sandsäcken und unterm Regendach, die völlig kalt dieses Bombardement, den Krieg filmen. Und es werden immer mehr davon, weil die Sender Bilder bekommen, ohne Menschen zu gefährden. Was den Strom betrifft, da haben Sie vollkommen Recht: Das Regime will absolut Normalität bewahren.

Wann werden die Amerikaner das Informationsministerium bombardieren?

Bei der Antikriegsstimmung, die in der Welt herrscht, können die Amerikaner es sich nicht wirklich leisten, zivile Strukturen und internationale Berichterstatter zu bombardieren. Es gibt immer wieder Alarm, dann gehen wir vom Dach runter und auf den Parkplatz, schauen uns und das Gebäude betroffen an – und schleichen uns wieder zurück.

Das irakische Staatsfernsehen wurde jetzt aber angegriffen.

Klar scheint bisher, dass die Amerikaner die irakische Propaganda via Fernsehen stoppen wollen, nicht aber die Berichterstattung der ausländischen Korrespondenten.

Das Gespräch führte Joachim Huber.

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