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Engagement: Nichts für Egoisten

Die ARD startet eine Themenwoche zum Ehrenamt.

Die ARD tut Gutes und redet gerne darüber. Auch am Mittwochabend pflegte sie die Unart, die eigenen Programmleistungen für „Tagesschau“-würdig zu halten: die eigene Top-Nachrichtensendung wurde zur Promotionsfläche degradiert, um ausführliche Eigenwerbung auf die am Samstag startende Themenwoche „Ist doch Ehrensache!“ zu betreiben – und das, obwohl die „Paten“ Anne-Sophie Mutter, Philipp Lahm und Miroslav Nemec seit Tagen unübersehbar durchs Erste Programm trailern.

Aber bitte: So eine Themenwoche ist wirklich eine feine Sache, und sei es, weil der Senderverbund mit all seiner Kraft und Kreativität beweisen will, dass er – und somit auch die Rundfunkgebühren – nützlich für die Gesellschaft sind. So startet „Ist doch Ehrensache!“ heute nicht nur mit einer Fernsehgala (ARD, 20 Uhr 15), bei der die „Morgenmagazin“-Moderatoren Sven Lorig und Anne Gesthuysen Zeitspenden statt Geld sammeln, sondern gleich noch mit einem „deutschlandweiten Aktionstag“, zu dem sich Hunderte von Initiativen und Organisationen angemeldet haben (www.aktionstag.ARD.de). Die ARD präsentiert sich als Sammelbecken der guten Tat. Und packt bisweilen selbst mit an: Der RBB zum Beispiel will dafür sorgen, dass im brandenburgischen Töplitz eine neue Basisstation für Rettungsschwimmer entsteht. In der Fernsehsendung „Zibb“ (18 Uhr 30) und bei Radio Eins wird ab Montag täglich über den Fortschritt der „96 Stunden“-Aktion berichtet.

Sieben Tage lang wird es vor Beispielen für ehrenamtliches Engagement in Regelsendungen von Fernsehen und Hörfunk sowie im Netz (http://web.ard.de/themenwochenblog) nur so wimmeln. Die Vorteile von Eigeninitiative zu preisen, passt gut in die Krisenzeit, man wird die bürgerschaftliche Selbsthilfe noch gebrauchen können. Aber in den Massenmedien wirkt so viel Schulterklopferei leicht ermüdend, auch die heldenhaftesten Vorbilder können einem irgendwann mit ihrem Gutsein auf die Nerven fallen. Da ist es wichtig, mal neben der Spur zu laufen und den Licht- und Schattenseiten des Wochenthemas aus ungewöhnlicher Perspektive zu begegnen.

Der pensionierte Sven Kuntze hatte da im vergangenen Jahr, als es bei der ARD um das Leben im Alter ging, mit „Alt sein auf Probe“ ein bemerkenswertes Format entwickelt. Auch diesmal wird er wieder aus dem Ruhestand geholt und darf in „Gut sein auf Probe“ (11. Mai, 20 Uhr 15) den Anti-Helden der ARD geben. Als bekennender Egoist („die Zahl meiner guten Taten ist eher bescheiden“) versucht er sich als Helfer für Obdachlose, Heimkinder und Sterbenskranke. Er spielt für den Jungen einer alleinerziehenden Mutter den Ersatz-Opa und engagiert sich in einer Initiative gegen Neonazis. Kuntze schlägt sich wacker, bleibt aber auch von Frust nicht verschont. „Frau Merkel hat mich nicht sitzen lassen“, beschwert er sich, als ihn einmal der obdachlose Daniel versetzt. Es gibt in diesem Film Momente, wie sie nur möglich sind, wenn der Reporter sich wirklich einlässt auf sein Thema, die Menschen und die Situationen. Zugleich sorgt Kuntze durch seine persönlich-nachdenklichen, bisweilen ironischen und selbstkritischen Kommentare für eine wohltuende Reflexion.

Nicht nur auf Friede, Freude, Heldentaten setzt auch der ARD-Film am Mittwoch. In „Genug ist nicht genug“ (13. Mai, 20 Uhr 15) kommt es in einer bayrischen Kleinstadt zu einem Streik der Freiwilligen, weil sich der Staat in der Krise immer mehr von der Erfüllung seiner sozialen Aufgaben verabschiedet hat. Das wäre eigentlich auch ein Thema für Frank Plasberg, doch der gönnt sich eine Pause und überlässt seiner Kollegin Anne Will die Bühne, die bereits am Sonntag das „Feld der Ehre“ (Programmdirektor Volker Herres) beackert.

Am Ende der Woche wird die ARD womöglich die einen oder anderen zu einem stärkeren Engagement verführt haben. Das wäre zweifellos eine gute Tat – wahrscheinlich erfährt man davon in der „Tagesschau“. Thomas Gehringer

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