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Entführung: Urlaub wird Albtraum

"30 Tage Angst": Eine achtköpfige Reisegruppe wird von Nomaden verschleppt. Das ZDF drehte den "Fernsehfilm der Wochen" im vergangenen September, als fünf Deutsche in Nordafrika entführt wurden.

Während sich im vergangenen September elf Touristen, darunter fünf Deutsche, in Nordafrika in der Hand von Entführern befanden, drehte das ZDF in Namibia gerade einen Film zum Thema: „30 Tage Angst“ erzählt von einer achtköpfigen deutschen Reisegruppe, die bei einem Ausflug in die Wüste von Nomaden verschleppt wird. Ein „Fernsehfilm der Woche“ also, der an aktuelle Ereignisse anknüpft, von denen es im Regelfall sehr wenig Bildmaterial gibt.

Die fiktive Geschichte des erfahrenen Autors und Regisseurs Thorsten Näter („Tatort“, „Mit dem Rücken zur Wand“) füllt mit „30 Tage Angst“ nicht zuletzt eine Bilderlücke im Bewusstsein des Publikums. Der Film zeigt, was die Nachrichten nicht zeigen: Wie die gedemütigten Menschen um ihr Leben fürchten, an Hunger und Durst leiden, mit Erschöpfung und Krankheit ringen – und wie sie streiten. Das Ausmaß der Not, in der sich Geiseln befinden, kann dieser Film sicher nur annähernd schildern. Auch ist nicht alles glaubwürdig: So wird eine Geisel durch einen Schuss am Arm verletzt und überlebt die sich einstellenden Komplikationen nur knapp, doch wenige Tage später flieht sie durch die Wüste – zu Fuß. Das grenzt an ein (Fernseh-)Wunder.

Davon abgesehen beweist Näter vor allem, dass er es versteht, Spannung zu erzeugen. Zur Brutalität und Unberechenbarkeit der Entführer kommt als weiterer für die Touristen bedrohlicher Faktor hinzu, dass Regierungstruppen ohne Rücksicht auf Verluste gegen die Rebellen vorgehen könnten. Die möglichen Befreier sind bis zuletzt alles andere als strahlende Helden und die Entführer nicht nur skrupellose Banditen. Auch ein Dialog über die Verantwortung des reichen Westens für die Verhältnisse in Afrika darf nicht fehlen. Insofern vermeidet Näter simple Schwarz-Weiß-Muster.

Auffällig und angenehm ist außerdem, dass er sich gar nicht erst auf die Debatte einlässt, ob sich entführte Touristen oder Geschäftsleute an Lösegeldzahlungen beteiligen müssten. Die Opfer bleiben Opfer und dürfen dennoch unsympathisch sein, mal aufbrausend, mal besserwisserisch, mal naiv. Die Gruppendynamik treibt den Film stärker voran als die Action.

Bei der Rollenbesetzung setzte das ZDF auf vertraute Gesichter. Das „Stubbe“Publikum wird mit Wolfgang Stumph und seiner Tochter Stephanie bedient. Vater Stumph spielt einen Schlachtermeister, der sich zur Ruhe gesetzt hat und nun mit seiner Frau Magda (Ramona Kunze-Libnow) die lange ersehnte Wüstentour unternimmt. Stephanie ist eine Verkäuferin, die sich als Model ausgibt und von Lehrer Paul Wieland (Bernhard Schütz) beeindrucken lässt. Oliver Stokowski und Ann-Kathrin Kramer spielen ein Ehepaar, das sich scheiden lassen will, aber für die 15-jährige Tochter (Isolda Dychauk) noch einmal auf intakte Familie macht.

Die afrikanischen Darsteller wurden mit Laien aus Namibia besetzt, was man bisweilen sieht: Die Entführer agieren übertrieben laut und fuchteln wild herum, die Soldaten wirken wie unbedarfte Jungs, denen man ein Gewehr in die Hand gedrückt hat. Immerhin kann man dem Film nicht vorwerfen, dass er den Kontinent trotz schöner Wüsten-Bilder romantisieren würde. Thomas Gehringer

„30 Tage Angst“, ZDF, 20 Uhr 15

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