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Medien: „Er lacht. Er weint. Er ist der Andy Warhol in dir“

Der Fassbinder-Schauspieler Ulli Lommel, der Produzent Peter Schamoni und Daniel Küblböck haben zusammen einen Film gedreht: „Daniel, der Zauberer“

Ein FassbinderSchauspieler, der in Los Angeles lebt; ein renommierter Münchner Spiel- und Dokumentarfilm-Regisseur; ein junger Fernsehpromi aus Passau: Ulli Lommel („Liebe ist kälter als der Tod“), Peter Schamoni („Frühlingssinfonie“) und Daniel Küblböck („Deutschland sucht den Superstar", „Dschungelshow“). Zusammen haben sie einen halbdokumentarischen Film gedreht, der am 12. August in die Kinos kommt und dem Fernseh- und Medienereignis um die kontroverse Person Daniel Küblböcks nachgeht: „Daniel, der Zauberer". Die einen lieben den Sänger, die anderen hassen den 18-Jährigen regelrecht. Lommel und Schamoni hat dieses Phänomen gereizt: Lommel schrieb das Drehbuch, verknüpfte Live-Konzert-Mitschnitte mit einer fiktiven Rahmenhandlung, führte Regie und spielt eine der Rollen, den großväterlichen Schutzengel Johnny. Peter Schamoni übernahm die Produktion und den Part des Küblböck-Hassers Winter.

Herr Lommel – wie kommt man darauf, einen Film über Daniel Küblböck zu machen?

LOMMEL: Ich war letztes Jahr im Oktober in München, da es auf den Hofer Filmtagen eine Retrospektive meiner Filme gab. Eines Abends kam ich nach Hause, und da sagte mir meine Freundin Pia, sie habe heute jemanden im Fernsehen gesehen, in einem Videoclip, und den ganz fantastisch gefunden. Scheinbar sei er sogar deutsch, der habe so einen komischen Namen, das müsse ein Deutscher sein. Ein paar Tage später sah ich das dann selbst und fand es auch gut. Dann ergab ein Zufall den nächsten. Wir wurden erst auf das Oktoberfest eingeladen, wo ich eigentlich nicht hin wollte, aber meine Freundin, die Amerikanerin ist, wollte das unbedingt einmal sehen. Also bin ich ihretwegen hingegangen. Dort lernten wir Herrn Aufhauser kennen, der bei Salzburg lebt und für RTL einen Event mit Tieren organisierte, eine Show. Dafür suchten sie eine Jury und luden mich ein. Da habe ich erneut gesagt, dass ich so etwas nicht mitmache, aber – meine Freundin wollte nach Salzburg. Und dort wurde uns der Daniel direkt an den Tisch gesetzt. Und sofort kamen Pia und Daniel ins Gespräch…

Sie haben Daniel Küblböck für sich „entdeckt" – und für den Film.

LOMMEL: Ja, beim Konzert im „Circus Krone“, in dem Daniel aufgetreten ist, habe ich eine Atmosphäre gespürt, so etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt.

Welche Atmosphäre denn?

LOMMEL: Es ist die Beziehung, die er innerhalb einer Sekunde mit 3000 Leuten begonnen hat – die war so etwas von intim, von echt, von authentisch. So eine Atmosphäre habe ich nicht bei Michael Jackson, nicht bei Liza Minnelli erlebt, die ich alle auf Konzerten gesehen habe. Und fünf Minuten später war von diesen 3000 Zuschauern mindestens die Hälfte in Tränen. Und ich guckte mich um, und meiner Freundin Pia liefen auch die Tränen runter, nur, sie weint überhaupt nie. Mich hat das einfach mitgenommen, das Ganze. Und die Kombination meiner persönlichen Erfahrungen mit dem Phänomen Daniel und Deutschland hat mich dazu bewogen, quasi über Nacht eine Geschichte zu erfinden. Den anderen Film in Amerika habe ich abgesagt.

Daniel, wie war das für dich, als Ulli Lommel mit der Filmidee zu dir kam? Noch jemand, der was will und Vorurteile hat.

KÜBLBÖCK: Ich habe den Namen Ulli Lommel vorher natürlich noch nie gehört, weil ich mich auch nicht mit Fassbinder beschäftigt habe, was auch ganz normal ist, wenn man aus Eggenfelden kommt. Ich kannte auch Peter Schamoni nicht, nur seinen Film „Zur Sache, Schätzchen“, den hat meine Oma auf Video zu Hause. Und so kam ich in etwas rein, was ganz anders für mich ist. Sonst hatte ich mit RTL zu tun. Auf einmal war ich mit Ulli und Peter in einer Welt, die ganz anders ist, in der man nicht über dieses ganze Oberflächliche redet. Ich habe Spaß daran gefunden, dachte mir, das ist gut, wenn diese zwei Welten aufeinander treffen.

Aber diese Welt der Fassbinders und Lommels ist eine fremde Welt.

KÜBLBÖCK: Ich würde sagen, dass sie mir nicht fremder war als die RTL-Welt. Ich glaube sogar, dass die mir fremder ist. Ich habe schnell gemerkt, dass Ulli Lommel mich nicht einfach als Figur sieht, als Kunstobjekt, wie das so viele tun. Er war ja mit all dem Star-Casting überhaupt nicht konfrontiert und ist ganz anders an die Sache herangegangen. Hätte ich jetzt einen RTL-Film gedreht, wäre es eine andere Welt gewesen. Es kamen nicht diese idiotischen Fragen, warum ich jetzt bisexuell bin. Er kam mit Themen, die interessanter waren als das, was ich vorher kannte.

Und Sie, Ulli Lommel, wussten im Gegensatz bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht, wer Daniel Küblböck überhaupt ist.

LOMMEL: Nein. Ich wusste weder, dass der Daniel diese Superstar-Sache hinter sich hatte, noch wusste ich, dass er in Deutschland solch eine Polarität kreiert hat. All das wusste ich nicht, das ganze Drumherum, und deswegen war ich völlig unbelastet. Ich hatte also nicht diese Vorurteile und auch nicht diese Fan-Liebe. Sondern ich war wie jemand, der von einem anderen Stern kommt.

Aus Los Angeles, also fern, aber objektiv.

LOMMEL: Ich hatte diese Objektivität, ja, die ich allerdings vielen Deutschen abstreite. Wie man dem Daniel hier begegnet, das halte ich für absoluten Wahnsinn. Und es hat eben mit Daniel viel weniger zu tun als mit irrationalen Gefühlen, die die Deutschen haben und für die ich immer noch keine Erklärung gefunden habe, weil sie so extrem sind.

Peter Schamoni, Sie sind mit Ulli Lommel seit Jahrzehnten befreundet, haben auch zusammengearbeitet. Dann kam er plötzlich mit dem Küblböck-Stoff zu Ihnen.

SCHAMONI: Es gab in der letzten Zeit Retrospektiven sowohl zu Ulli Lommels Filmen als auch zu meinen. Mit Bildbänden und Katalogen. Und niemand hier wollte mit uns einen neuen Film machen. Wir hatten ein neues Drehbuch, „Fassbinder in Casablanca“, das einfach überall abgelehnt wurde. Dann kam Ulli zu mir und wollte mit dem so genannten „durchgeknallten Frosch“, dem Küblböck, einen Film drehen. Ich fand das zunächst absurd – bis ich Daniel dann kennen lernte und meine Meinung änderte. Und dieser Film jetzt, „Daniel, der Zauberer", ist, wenn man so will, ein völlig autonomes, völlig freies, unabhängiges Selbsthilfeprojekt. Wir haben keinerlei Filmförderung, Fernseh- oder Verleihbeteiligung. Und was ich dabei so wichtig finde, ist eben diese liebevolle Begegnung von Ulli mit dem Daniel, ohne jede Häme, ohne jede Missgunst. Ulli beschreibt hier die Situation eines jungen Menschen in seiner Unbekümmertheit. Ein schillerndes Poptalent, das noch nicht genau weiß, wohin die Reise eigentlich geht.

Ihre Rolle im Film spiegelt ihre eigene Haltung wi6der: Erst sind Sie der KüblböckHasser.

SCHAMONI: Ja, es ist eine Wandlung, die ich auch selbst gemacht habe, daher wurde meine Rolle auch etwas größer. Irgendwann sagte ich, so schlimm wie Heino ist er ja nicht. Ich glaube, mit meiner Figur können sich viele Zuschauer, zumindest die älteren, die bürgerlichen, identifizieren. Ich bringe alle Vorurteile, die man gegen Daniel hat, mit ein. Wir thematisieren auch die Negativhaltung gegen Daniel.

Dieses Negative, wo kommt das her?

LOMMEL: Ich weiß aus meiner eigenen Kindheit, in Deutschland wurde man so erzogen, da macht man bestimmte Dinge einfach nicht. Ein Junge weint nicht. Man hat sich zu benehmen. Und nun kommt der Daniel an, und er macht all die Dinge, die man eben nicht macht, und er ist nicht bereit, diese festen und bürgerlichen Rollen anzunehmen. Er kreiert seine eigene Rolle. Er bricht Tabus. Er schminkt sich. Er zieht Mädchenkleider an. Er weint. Er lacht. Er ist albern, ist hysterisch. Kurz: Er benimmt sich halt nicht. Und weil er das auf öffentlicher Ebene macht, glaube ich, dass die einen das als Erlösung empfinden und ihn lieben und die anderen das nicht ertragen können und ihn hassen. Und so, wie Andy Warhol einmal auf die Frage meinte, was ihn denn zu dieser amerikanischen Universal-Popikone gemacht habe: „Es ist der Andy Warhol in dir“, so hat der Hass auf Daniel Küblböck weniger mit ihm selbst zu tun als mit dem Daniel in denen, die ihn hassen.

Daniel, findest du dich in Ulli Lommels Film wieder?

KÜBLBÖCK: Es ist immer schwer, über sich selbst zu sprechen, ich weiß auch gar nicht, was ich auf andere ausstrahle. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich so sehr polarisiere, wurde in der Schule immer anerkannt, auch wenn ich nie die geradesten Wege gegangen bin. Aber ich bin die Person, die ich bin, und nicht die, die so gerne in mir gesehen wird.

Das Gespräch moderierte Thilo Wydra.

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