zum Hauptinhalt
Übernahme. Der größte regionale Zeitungsverlag in Europa ist zu gleichen Teilen im Besitz der Nachfahren der Familien Brost und Funke. Eine Funke-Tochter will das ändern. Foto: dapd

© dapd

Medien: Erben in Essen

500-Millionen-Euro-Angebot: Der WAZ-Konzern steht vor großem Umbruch

Es könnte einer der größten Medien-Deals werden. Mit einer halben Milliarde Euro will WAZ-Mitbesitzerin Petra Grotkamp, 67, einen Teil der Gesellschafter auszahlen, um beim Familienkonzern für übersichtlichere Verhältnisse zu sorgen. Damit steht der nach Bertelsmann und Springer drittgrößte deutsche Medienunternehmen mit seiner über 60 Jahre alten Geschichte vor einem großen Umbruch. „Wenn Petra Grotkamp tatsächlich die Anteile der Brost-Erben übernimmt, dann erhält der WAZ-Konzern erstmals eine Eignerstruktur, die schnelles Agieren erlaubt“, sagte der Dortmunder Zeitungsforscher Horst Röper dem Tagesspiegel.

Man muss wissen: Mit der Familie Brost geht es an die Wurzeln der WAZ-Gruppe. Mit einer Lizenz der britischen Militärregierung war die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ von Erich Brost und Jakob Funke 1948 gegründet worden. Daraus ist einer größten Regionalzeitungsverlage in Europa geworden, zu gleichen Teilen im Besitz der Nachfahren der beiden Gründer. Eine Funke-Tochter will das ändern: Eine halbe Milliarde Euro hat Petra Grotkamp, bislang mit 16,7 Prozent beteiligt, den drei Brost-Enkeln für deren 50-Prozent-Anteil an der WAZ-Gruppe geboten. Die sind bereit, auf das Geschäft einzugehen. Sie hätten „kein Interesse am Verlagsgeschäft“, schrieb WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz am Dienstag im eigenen Blatt.

Das schwierige Verhältnis zwischen den Brost-Erben und dem Funke-Zweig hat in der Vergangenheit einige strategische Entscheidungen erschwert. Als dickstes Versäumnis gilt für Beobachter der verpasste Einstieg der WAZ-Gruppe bei ProSieben Sat1, wo dann Haim Saban zum Zuge kam. „Dabei ist dem WAZ-Konzern ein Milliardengewinn entgangen.“ Röper erinnerte an die Bedenken einer Gesellschafter, dass der Konzern zwar finanziell zur Übernahme in der Lage gewesen wäre, dies aber über Jahre so viel Kapital gebunden hätte, dass andere Print-Zukäufe unmöglich gewesen wären.

Im Ruhrgebiet sicherte sich die WAZ-Gruppe die Vorherrschaft mit mehreren Zeitungstiteln. Nach der Wende ging die Expansion Richtung Ostdeutschland und Balkan. In Österreich kaufte sich der Konzern bei der „Krone“, der „Bild“-Zeitung des Nachbarlandes, ein. Doch nicht jedes Mal, wenn die WAZ ihren Namen in den Ring geworfen hat, ist sie zum Kampf bereit gewesen. So im Falle der „Süddeutschen Zeitung“, für die Petra Grotkamps Ehemann Günther, heute 84, eine Milliarde Mark geboten hatte – ohne dies mit Gesellschaftern abzustimmen. „Manche Deals bestanden vor allem aus Angeboten“, sagt Röper, der aber auch darauf hinweist, dass die WAZ-Gruppe nicht ohne regionale Zukäufe – wie bei der „Braunschweiger Zeitung“ – zum drittgrößten Verlag hätte werden können.

Für den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, so dessen Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff, dokumentiert die geplante Übernahme der WAZ durch Petra Grotkamp das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit und das Potenzial eines Medienhauses – „wie grundsätzlich jedes Kaufinteresse“. Die Stimmung im WAZ-Konzern beschreibt Röper als nervös. Nach massiven Stellenstreichungen bringe jede Veränderung Unruhe in den Verlag. So scheint Geschäftsführer Bodo Hombach, ein Brost-Mann, angezählt. Auch für Kollegen Christian Nienhaus sähe es nicht rosig aus. Dabei hat der WAZ-Geschäftsführer genug Ärger um die Ohren. Der WDR will gegen Nienhaus rechtliche Schritte einleiten. Dieser hatte im Interview mit der „F.A.Z.“ behauptet, der WDR bedrohe Abgeordnete im nordrhein-westfälischen Landtag.

„Ich kann mir gut vorstellen, dass Günther Grotkamp einen anderen Namen in petto hat“, sagt Röper. Eine Möglichkeit wäre, dass Manfred Braun, zuständig für das Verlags- und das Zeitschriftengeschäft, zum alleinigen Geschäftsführer aufrückt. Der Anwalt von Petra Grotkamp, Andreas Urban, sagte am Mittwoch, dass „Frau Grotkamp volles Vertrauen in Herrn Nienhaus“ habe. Sie möchte auch in Zukunft erfolgreich mit Nienhaus zusammenarbeiten. Wie auch immer, Veränderungen in Eignerstruktur und Geschäftsführung könnten mit einer strategischen Neuausrichtung verbunden sein. Grotkamp könne die Rückbesinnung auf lokale Märkte vorantreiben.

Ob es zum Eigentümerwechsel kommt, hängt am Essener Anwalt Peter Heinemann. Er wacht als Testamentsvollstrecker von Erich Brost über den letzten Willen des Gründers und müsste einem Verkauf zustimmen. Sollte das Geschäft klappen, hielte Petra Grotkamp die Mehrheit an der WAZ-Mediengruppe. Die Frage bleibt aber, ob für die ganz großen Geschäfte weiterhin Einigkeit zwischen allen Grotkamp-Funke-Gesellschafter hergestellt werden müsste. Das könnte Megadeals wie gehabt verhindern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false