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Medien: Erfrischend bieder

Wie alt ist die neue „Sportschau“? Geschichten aus einer Fußball-Expertenrunde

Cremefarben, geht das? „Unmöglich, sieht scheußlich aus“, ruft der Artdirektor der Kunstzeitschrift „Art“, also praktisch: eine Autorität. Er redet nicht von moderner Malerei. Er schaut auf einen Fernseher und die Studiokulisse der neuen „Sportschau“. Blau und diese Cremefarbe, also wirklich! Der Artdirektor sitzt in der Hamburger Fußballkneipe „Kick & Company“ zusammen mit 16 Journalisten aus diversen Redaktionen („Stern“, „Yacht“, „Fit for fun“, „ran“, „Merian“, „Frau im Spiegel“ usw.) – sie haben alle als Sportjournalisten angefangen. Samstagabend, draußen Sonnenbrille, drinnen Bierdunst und Schweiß.

„Ja“, würde Gerhard Delling an dieser Stelle sagen, „es ist ein heißer Sommer, und heiß sind wir auch auf die Bundesliga.“ Delling moderiert die „Sportschau“ und ist der größte Fan solcher Worthüpfer, die munter durch die Halbsätze springen. Um 18 Uhr 43 kündigt er die erste Werbung an und sagt: „…wenn Sie ein menschliches Problem haben…“ Großes Hallo und Gelächter im Schankhaus. Und schau, kaum dass einer so einen lustigen Satz sagt, geht die Hälfte des Publikums aufs WC.

Jetzt aber mal zum Grundsätzlichen und der Frage: War die „Sportschau“ gut? Also bitte, 17 Fußballverrückte, da ist kein Konsens möglich. Nehmen wir nur mal Waldemar Hartmann. Der moderierte als Bayer auf Schalke und war bebend stolz. Sagt der Textchef von „Fit for fun“ vergnügt: „Waldi ist Kult.“ Grummelt der Chefredakteur von „Merian“: „Du kannst nicht alles, was schlecht ist, deshalb zum Kult erklären.“ Oder Uli Hoeneß. Der war Gast im Studio und sprach anfangs mit Delling über den Ligapokal und ein Bratwurstfest mit Autogrammstunde. So etwas erbost den Kollegen von der „Yacht“: „Interessiert kein Schwein.“ Und der Kulturredakteur vom „Stern“ lästert, das sei kein Stuhl, auf dem der Hoeneß da sitze , sondern „der Donnerbalken eines italienischen Möbeldesigners“.

Medientheoretisch ist das nicht besonders feinsinnig argumentiert. Und damit nicht der Eindruck entsteht, das sei so geblieben: Etwa bei der überaus begrüßten Heimniederlage von Hertha BSC einigt sich die Runde auf einige inhaltliche Punkte, die auch nach der Sendung noch Bestand haben. A) fehlendes Publikum im Studio: äußerst wohltuend. Dieses hysterische Gekreische und Fanschalgewedel war nur noch ein Elend. B) zwei Werbeblöcke statt der fünf von „ran“: eine Labsal. Doch halt! Der Textchef von „Frau im Spiegel“ haut ein medienpolitisches Argument übern Tisch. Die ARD kassiere im Jahr 7,5 Millionen Euro Gebühren, die Werbearmut und daher bessere Sendefluss sei kein Verdienst der „Sportschau“-Redaktion (der Textchef arbeitete mal bei „ran“, aber trotzdem: wahr gesprochen!).

Nun wird es noch ein paar Grad wärmer im „Kick & Company“. Zwei Leuchtstrahler heizen das Lokal auf. Der NDR ist mit einem Kamerateam da (für „Zapp – das Medienmagazin“). Weil, wenn 17 Journalisten in Hamburg Fernsehen schauen, ist das ein Ereignis. Aber weiter, denn C) muss noch löblich erwähnt werden: Der Ball wird wieder im Spiel gehalten, man sieht ihn rollen. Bei „ran“ war Fußball so: Schuss aufs Tor – Schnitt – Gesicht des Trainers – Schnitt – Torwart hechtet – Schnitt – Ministerpräsident in VIP-Loge guckt entsetzt – Schnitt – Ball klatscht an Latte – Schnitt – Trainer wirkt erleichtert… Und jetzt noch mal in Zeitlupe… Die Fachleute nennen das „Tribünenbeobachtung“. Kann man leicht drauf verzichten.

Nachdem jetzt die Sybille noch die fünf großen Apfelschorlen und drei Weizen gebracht hat – Danke, Sybille, ist das eine Hitze! –, bekommt die Expertenrunde in Hamburg die neue Sportschau endlich auf einen Begriff: erfrischende Biederkeit. Als hätte die alte Redaktion von „ran“ eine kräftige Dosis Valium geschluckt. Ah, das tut gut. Kein Dahlmann mehr und kein Herrmann, diese ganze antrainierte, gekünstelte Emphase: weg. Andererseits und als D) noch nachgeschoben, das war ein dankbarer erster Spieltag fürs Erste (ein kleines Delling’sches Wortspiel, das nur nebenbei). 25 Tore in 7 Spielen (die zwei Partien am Sonntag gehören dem DSF), ein Schnitt von 3,6 ist das, Heimniederlage für Hamburg und Berlin, rote Karten, Derbys, verschossener Elfmeter, Ausgleich in letzter Sekunde usw. Fragt „Fit for fun“ total berechtigt: „Was wird aus der Sendung mit drei Spielen der Sorte Rostock gegen Bochum, die Null zu Null ausgehen?“

Das hört sich sehr ernst an, aber nein, da ist auch Humor. Dafür sorgt der Waldi, ein Gaudibursch. Er fragt ins sauertöpfische Gesicht von Jupp Heynckes, dem praktisch mit Schlusspfiff der Sieg abhanden kam: „Hätten Sie das Spiel gern gewonnen?“ Lachen ist auch ein menschliches Bedürfnis, und die Kneipe lacht. Dann aber ganz am Ende: Erbitterter Kampf zweier Linien. Man kennt das gar nicht mehr, seit die kommunistischen Parteien dahinsiechen. Wer hat die Wahrheit, die Deutungshoheit? Hier und über die „Sportschau“ vom Samstag gesprochen heißt das: Genügt solides Abspulen von Spielberichten den Erwartungen? Fraktion I beharrt auf der Weisheit des Trainers Adi Preißler: Wichtig is’ aufm Platz. Samstags um 18 Uhr solle der Ball rollen und sonst nichts! Ach, nun packen sich die besten Freunde an den Ohren, denn: Fraktion II verlangt für diese Sendung energisch „mehr Journalismus, Geschichten übers Spiel hinaus“. Und wieder mal kein Konsens.

Oh, da rumpelt es plötzlich aus dem Artdirektor, „dieses Studio“. Er schüttelt sich. Spricht von einem „grauenvollen Stilsalat“ aus Acryl, Vierkant, Rundform, Glas, Stahl, von Videowänden, die flackern „wie eine Weihnachtslichterkette“. Er geht jede Wette, dass das die Vorrunde nicht überlebt. Auch interessant, so ein Ästhetenblick.

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