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Eric Schmidt.

© dpa

American Academy: Eric Schmidt: Der Antworten-Optimierer

Wenn sich Intellektuelle drängeln, um einen Sitzplatz für einen Vortrag eines Elektroingenieurs zu ergattern, dann ist klar: Wir leben im Zeitalter des Internets. Eric Schmidt, früherer Google-Vorstandsboss sprach in der American Academy.

Eric Schmidt, 56, war bis April Vorstandsboss von Google und ist als Verwaltungsratschef und Botschafter des US-Konzerns auf Europareise. Am Freitagabend machte er auf Einladung der American Academy Station am Wannsee. Die Plätze seien "extrem begehrt" gewesen, hieß es zur Begrüßung. Man dürfe sich darum glücklich schätzen, dabei zu sein.

Dabeisein, wenn Schmidt beschreibt, wie das Internet unsere Zukunft prägt. Eine bessere Zukunft, wohlgemerkt, in der Technik uns Aufgaben abnimmt, zu denen wir sowieso keine besondere Eignung mitbringen. Dazu gehöre beispielsweise, sich an Dinge zu erinnern. Das mache der Computer für uns, sagte Schmidt. Denn während Menschen sich eher über ihre Intuition auszeichneten, läge der Vorteil der Maschinen eben darin, nichts zu vergessen.

Schmidt, der Google über neun Jahre leitete und gemeinsam mit den Gründern Larry Page und Sergej Brin zu dem Konzern machte, der im vergangenen Jahr etwa 8,5 Milliarden Dollar an Gewinn einfuhr, hat ähnliche Vorträge in Berlin bereits gehalten, zuletzt auf der IFA im vergangenen Herbst und an der Humboldt Universität im Februar. Er verweist regelmäßig darauf, dass wir Menschen dank Computern, Smartphones und dem Internet nie mehr einsam sein werden, nie mehr gelangweilt, nie mehr ohne einen Schimmer, wo wir uns gerade befinden. Denn die Maschinen wüssten schließlich Bescheid: über unseren Standort, unsere Freunde, über unsere Vorlieben und Interessen. Und das natürlich, vergisst Schmidt nie zu ergänzen - mit unserer Erlaubnis.

Advokat der unbedingten Offenheit

Es sind diese Passagen in den Reden des Managers, die manche Menschen, die keine bedingungslosen Berufsoptimisten sind wie Schmidt, befremden. Es ist nicht so, dass Schmidt als unsympathischer Datensammler daherkäme. Ganz im Gegenteil. Der eher unscheinbar wirkende Mann, der bei Google zum Milliardär wurde, ist gegenüber Kritikern schlagfertig und kann Menschen für sich einnehmen. Er ist ein Advokat der unbedingten Offenheit. In einem Artikel für die Zeitschrift "Foreign Affairs" schrieb Schmidt: "Demokratische Staaten müssen anerkennen, dass Bürger, die von Technologie Gebrauch machen, effektiver sein können, um Werte wie Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte zu verbreiten, als von Regierungen beschlossene Initiativen."

Als Gesprächspartner waren Schmidt der Herausgeber der "FAZ" Frank Schirrmacher und Norman Pearlstine, Top-Manager des Wirtschaftsdienstes Bloomberg und Präsident der American Academy, an die Seite gesetzt worden. Doch es war nicht Schirrmacher, Autor eines Buches, das dazu aufruft, die "Kontrolle über unser Denken" im Informationszeitalter zurückzugewinnen, der Schmidt Paroli bot.

Es waren Stipendiaten und Kuratoren der Academy wie die Politikwissenschaftlerin Ellen Kennedy, die Schmidt herausforderten. Der hatte zuvor gesagt, er glaube daran, dass die Menschen im Kern gut seien. Nur ein paar böse Wichte gebe es, aber Gut werde Böse in seine Schranken verweisen. Wieso, fragte Kennedy, solle sie Schmidt angesichts der Geschichte des 20. Jahrhunderts glauben? Starhistoriker Niall Ferguson wollte wissen, was geschehe, wenn die Kontrolle über Google in die Hände von Verbrechern gerate.

Der Journalismusprofessor Todd Gitlin warf Schmidt ein naiv-dualistisches Weltbild vor, in dem ausgeschlossen sei, dass auch gutmeinende Menschen Erfindungen machen, die zerstörerische Auswirkungen haben können. Google sei Schmidts Religion, die wie alle Glaubensrichtungen ohne empirische Beweise auskommen müsse.

Schmidt: Die Menschheit profitiert vom Internet

Man könne ihm zustimmen oder nicht, sagte Schmidt, doch empirisch betrachtet profitiere die Menschheit bisher vom Internet. Das Netz und die Geräte, die es zum Werkzeug machen, ermächtigen jeden einzelnen Menschen, sich Gehör zu verschaffen und am Wissen der Welt teilzuhaben. "Wenn Sie eine nagelneue Villa in einem Land ohne Internetzugang und ohne Mobiltelefone finden, dann geht dort sicherlich etwas Böses vor", entgegnete Schmidt der Wissenschaftlerin Kennedy. Er hatte damit die Lacher auf seiner Seite.

Was Zuhörer erstaunt, die mit der Welt der Computercodes und Algorithmen nicht vertraut sind und die nur eine vage Vorstellung vom technologisch Machbaren haben, ist die Gewissheit, mit der ein einflussreicher Manager wie Schmidt über die Segnungen der Forschung referiert. Für ihn es ausgemachte Sache, dass wir künftig unsere Erinnerungen in Supercomputern auslagern, Software unsere Autos steuert und im Jahr 2029 Speichermedien entwickelt sind, die nur 100 Dollar kosten und 600 Jahre Videomaterial in DVD-Qualität abspielen können. Nur: "Die Leute haben Probleme, diese Dinge und ihre Tragweite zu verstehen".

Schmidt wird nachgesagt, er könne in einer zweiten Amtszeit von US-Präsident Barack Obama Handelsminister werden. Doch dazu äußerte er sich an diesem Abend nicht. Vielmehr arbeite er gerade mit dem Google-Vordenker Jared Cohen an einem Buch, um seine Ideen differenzierter zu erklären. Noch seien seine Antworten nicht so gut, wie sie sein könnten. Da bricht wieder der Ingenieur in Schmidt durch, der Antworten wie Suchergebnisse optimieren will. "Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen", bedankte sich Schmidt bei seinem Publikum.

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