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© WDR-Pressestelle/Fotoredaktion

Erinnerung an einen Entertainer: Liebevolle Abrechnung

„Unser Bruder, Vater, Opa Rudi genannt Carrell“, ein musikalisches Familien-Video in der ARD.

Jetzt wissen wir endlich, wer sich die Pointen für die deutsche Fernsehunterhaltung ausdenkt. Als Rudi Carrell einmal bei „7 Tage, 7 Köpfe“ eine Zigarette scheinbar im linken Ohr verschwinden ließ und sie dann aus dem rechten wieder hervorzauberte, reklamierte Comedian Kalle Pohl: „Aber Rudi, das geht doch gar nicht, du hast doch ein Hörgerät!“ Zuhause saß Carrells Tochter Annemieke und wunderte sich, denn genau mit diesem Satz hatte ihr Sohn einige Tage zuvor den Zigarettentrick seines Opas kommentiert. Immerhin: Der Enkel erhielt von Opa Rudi nachträglich einen Vertrag und 100 Euro Honorar.

Ganz so harmlos sind nicht alle Anekdoten und Kommentare in dem Familien-Video „Unser Bruder, Vater, Opa Rudi genannt Carrell“. Einen Tag zuvor, am 19. Dezember, wäre der niederländische Entertainer 75 Jahre alt geworden. Annemieke Kesselaar Klar und ihr Mann Dieter Klar sind die Autoren des 45-minütigen Films, der somit „kein neutrales journalistisches Porträt“ ist, wie WDR-Redakteur Klaus Michael Heinz zutreffend erklärt. „Diese sehr persönliche Sicht erschien uns als lohnende Ergänzung reizvoll.“

Der 2006 verstorbene Showmaster war auch daheim unermüdlich auf der Jagd nach Ideen. „Für uns Normalsterbliche hatte er nicht viel Zeit“, sagt Tochter Caroline, und ihre Schwester Annemieke nennt ihn „keine richtige Vaterfigur“. Eine Spur Bitterkeit ist dabei in dieser dennoch respekt- und liebevollen „Abrechnung“. Neben den beiden Töchtern erinnern sich Rudi Carrells Sohn Alexander, Schwiegersohn Rolf, seine Schwester Truus und sein Bruder Aad, drei Enkelkinder, Nachbarn, Freunde, Arbeitskollegen wie Günther Jauch und sogar die Haushälterin an das Leben mit dem Entertainer. Das erinnert bisweilen schon ans Blättern im Familienalbum, und das Publikum erfährt auch manch weniger Bedeutsames.

Ganz ausgeblendet bleibt die Frage nach dem spannungsreichen deutsch-niederländischen Verhältnis. Dagegen spielt der Iran eine Rolle: Als eine Satire über Revolutionsführer Ayatollah Chomeini für Wirbel und Bombendrohungen gesorgt hatte, musste die Familie geschützt werden. „Für mich war das eine lustige Zeit“, sagt Sohn Alexander, der von der Polizei zur Schule gebracht wurde.

Interessant ist auch Rudi Carrells Verhältnis zu Vater André, der selbst ein Bühnenkünstler war. Beide sind bei einem gemeinsamen musikalischen Auftritt 1967 zu sehen. Die Archivschnipsel mit dem singenden Rudi Carrell sind ohnehin eine zeitlose Freude: Da sind Raritäten dabei wie das Duett mit Esther Ofarim als Robinson und Meerjungfrau 1964, aber auch Klassiker wie das unvermeidliche: „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“ Die steile Tolle auf dem Kopf, sein putziger Akzent – der lässige Rudi aus dem Nachbarland war 40 Jahre lang ein gern gesehenes Unikat in Deutschland.

„Unser Bruder, Vater, Opa Rudi genannt Carrell“, ARD, 15 Uhr 45

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