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So lächelt nur der Henker. Die „heute-show“ von und mit Oliver Welke gilt derzeit als das Nonplusultra politischer Satire im Fernsehen. Foto: ZDF

© [m] Irena Pavor (Foto: Stefan Me

Erst lachen, dann wählen?: „Kluge Satire verhöhnt die Macht“

„heute-show“, „Tagesschaum“, „Klugscheißer“: Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen zum Ha-Ha-Umgang des Fernsehens mit Politik.

Herr Pörksen, lieben auch Sie die „heute-show“?
Nein, von Liebe kann man da nicht sprechen, eher handelt es sich um Respekt vor der boshaften Intelligenz und der heiteren Autoritätsverachtung, die ein Oliver Welke oder ein Martin Sonneborn ausstrahlen. Diese Leute betreiben Medienkritik in subversiver Absicht. Sie kopieren und simulieren die Regeln der Medienwelt und leben von ihren Abfällen, dem täglich produzierten Müll. Und sie haben auf eine sehr tiefe Weise verstanden, nach welchen Gesetzen diese Medienwelt funktioniert.

Politiker fühlen sich geadelt, wenn sie von Oliver Welke hochgenommen werden. Sind diese Politiker noch von dieser Welt?
Wer sich über die Blamage bei Oliver Welke freut, der reagiert wie ein beliebiger Aufmerksamkeitsjunkie: Hauptsache, man war auf Sendung. Politisch verwertbare Aufmerksamkeit ist hingegen strikt kontextgebunden, sie lebt von ihrer Seriosität. Dass Aufmerksamkeit allein nicht reicht, kann man sehr schön an der Medienkarriere des Guido Westerwelle studieren, der – bis hin zu einem bizarren Besuch im Big-Brother-Container – zunächst versucht hat, mit allen Mitteln zu punkten und sich chamäleongleich den Regeln des Spektakels anzupassen. Ohne nachhaltigen Erfolg. Irgendwann empörten sich Medien und Publikum über diesen Mangel an Rollenbewusstsein. Und Westerwelle schwenkte um.

Was kann Satire über Politik transportieren, was Politik selber nicht transportieren kann?
Satire kann eine hohle Geste entlarven und die Überinszenierung des Politischen der Kritik zugänglich machen, sie kann Mächtige plötzlich ohnmächtig und ein wenig lächerlich wirken lassen. Satire ist, im Unterschied zu der vergleichsweise direkten politischen Überzeugungsarbeit, immer auch eine Form der parasitären Meta-Kommunikation, die ihre gerade persiflierten Inhalte verwandelt, sie umformt – und den Zuschauern signalisiert: Was hier mit so großem Ernst in einem Parlament, bei einem Zapfenstreich oder am Rande einer Pressekonferenz aufgeführt wird, ist eigentlich richtig lustig.

Hat das Genre quasi etwas Therapeutisches für die Betroffenen wie fürs Wahlvolk?
Es ist eher eine Therapie für den Augenblick, eine Erlösung für den Moment, die sich dem abrupten Perspektivwechsel und dem Kollaps der gerade noch gültigen Kontexte verdankt. Mit einem Mal wirkt der eben noch so unnahbar erscheinende Politiker hilflos, verunsichert, auf bizarre Weise gewöhnlich. Das ist die Ad-hoc-Therapie der Satire: Man simuliert die faktisch bestehenden Unterschiede, Hierarchien und Barrieren durch den Spott scheinbar weg. Aber eine solche Simulation trägt nur für den Moment.

Das Motto wäre dann: Warum sich über Politik ärgern, wenn man über sie lachen kann.
Sie meinen, dass sich das Lachen und der Ärger letztlich ausschließen? Das sehe ich anders. Für mich ist das Lachen des aufklärerischen Satirikers häufig eine verwandelte Form des Zorns, ein ins Spaßige transformierter Ärger. Am Anfang steht oft der moralische Reflex, die echte Empörung, die aber schließlich – und das ist gedankliche Schwerstarbeit – eine andere Gestalt bekommt. Darin liegt, wenn man so will, der heimliche moralische Rigorismus des Satirikers: Man wählt für die eigene Anklage und die versuchte Aufklärung den Umweg über den Witz.

Das Fernsehen inflationiert die politische Satire.

Das Fernsehen inflationiert jetzt die politische Satire. Was mit der „heute-show“ beginnt, wird beim angekündigten „Tagesschaum“ von Friedrich Küppersbusch und bei den „Klugscheißern“ nicht enden. Finden Sie das lustig?
Ich kann an der momentanen Inflation nichts Schlechtes finden. Und die öffentlich-rechtlichen Sender beweisen doch – auch das muss einmal gesagt werden – eine erstaunliche ironische Elastizität und Souveränität bei der Veräppelung ihrer eigenen Formate und ihres eigenen Personals. Sie verzichten überdies in aller Regel auf die vulgäre Verachtung von Wehrlosen und Ohnmächtigen, die zu einer Spezialität von Comedy- und Krawall-Sendungen, von Doku-Soaps und Casting-Formaten im Privatfernsehen geworden ist. Kluge Satire verhöhnt die Macht. Die Unterhaltungs- und Satirespezialisten des Privatfernsehens verhöhnen hingegen häufig Ohnmächtige und schüren eine Art Klassenhass gegenüber der sogenannten Unterschicht. Das ist momentan eine ihrer zentralen Geschäftsideen zur Sicherung der Quote: der Hartz-IV-Empfänger als brüllender Trottel. Und diese Geschäftsidee ist natürlich alles andere als komisch.

Also gar keine Kritik an Sendungen von Welke und Co.?
Doch schon, aber eher in Form einer pauschalen Diagnose. Natürlich sind diese Sendungen auch Symptom einer allgemeinen Entpolitisierung und Diskursverweigerung, denn sie konzentrieren sich viel zu oft allein auf die Inszenierung von Politik – und nicht auf die jeweiligen politischen Inhalte, sie bleiben also bei der satirischen Begutachtung von Oberflächen stehen und attackieren zu selten in der Sache. Man lacht dann herzhaft über einen blöden Versprecher, eine grauenhaft abgestürzte Stammel-Rede, eine peinliche Gesangseinlage bei irgendeiner Parteiversammlung oder noch einmal über eine besonders schlecht sitzende Frisur, aber es bleibt ein billiges, blökendes Lachen, das letztlich die allgemeine Politikerverachtung bedient. Politik ist dann inhaltlich entkernt und erscheint nur als eine mehr oder minder seriöse Kulisse interessant – als Fassade der Ernsthaftigkeit und als Chiffre für Relevanz, die man lediglich aus dramaturgischen Gründen für die eigenen Späße braucht.

Hätte da ein Altmeister wie der Kabarettist Dieter Hildebrandt noch eine Chance?
Das weiß ich nicht, aber ich hoffe es doch. Denn er würde die zur Mode gewordene, letztlich unpolitische Stil- und Inszenierungskritik gelegentlich mit inhaltlichen Einsprüchen würzen, die öffentlich für Aufregung sorgen.

Der „Bericht aus Berlin“ in der ARD oder „Berlin direkt“ im ZDF bieten weiterhin Politik im Hardcore-Format. Ist diese Form der Vermittlung noch zeitgemäß?
Warum denn nicht? Aber eben gewiss nicht nur und ausschließlich. Ich bin, was die Vermittlung von Politik betrifft, unbedingt für Pluralität: Möglichst viel Varianz und eine Vielfalt der Formen – und doch im Zweifel ein klarer Vorrang der Inhalte, die sich nicht bei der Suche nach dem Knalleffekt auflösen dürfen. Wir brauchen die klassischen, eher unaufgeregten Politiksendungen, wir brauchen Talkshows und auch die Dauersendung auf Phoenix, aber natürlich auch die satirische Provokation, die zu einer inhaltlichen Debatte inspiriert.

Das Interview führte Joachim Huber.

Bernhard Pörksen ist Professor für Medienwissenschaft an der Uni Tübingen. Seine jüngste Veröffentlichung: „Die gehetzte Politik. Die neue Macht der Medien und Märkte.“

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