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Medien: „Es braucht einen Neuanfang“

Jochen Wolff, Chefredakteur der Zeitschrift „Super Illu“, über Fehler im Umgang zwischen Ost und West

Am 23. August 1990 erschien die erste „Super Illu“. Bedarf es 16 Jahre nach dem Fall der Mauer noch immer einer Wochenillustrierten speziell für Ostdeutschland?

Da kann ich genau so gut fragen, wozu es mit dem „Stern“ einer gesonderten Illustrierten für Westdeutschland bedarf. „Super Illu“ verkauft jeden Donnerstag rund 550 000 Exemplare, 90 Prozent davon in Ostdeutschland. Jeder Fünfte in den neuen Ländern liest sie – mehr als „Bild“. Wir sind auf die Leser im Osten ausgerichtet und helfen, Gegensätze zwischen Ost und West abzubauen. Anders als andere Medien respektieren wir das Leben, das die Menschen vor dem Mauerfall geführt haben und drücken nicht allem den Stempel des politischen Misstrauens auf.

Sie kommen wie Edmund Stoiber aus Bayern, dem Land der vermeintlich klugen Kälber. Was raten Sie dem CSU-Politiker?

Ich würde ihm raten, sich nicht zu sehr zu verbiegen. Wir brauchen auch Politiker, die sagen, was sie denken. Ich glaube nicht, dass Stoiber ein Ossi-Hasser ist. Und der Satz mit den dummen Kälbern ist doch nur ein Synonym dafür, dass die Wähler genau hinschauen sollen, wen sie wählen.

Wie erklären Sie sich die Äußerungen von Brandenburgs Innenminister Schönbohm?

Das war ein Missgeschick. Taten wie diese mit den neun toten Babys, so unverständlich sie sind, gibt es in der alten Bundesrepublik genau so. Auch soziale Milieus, wo Menschen in Alkoholismus und Verbrechen abgleiten, gibt es überall.

„Spiegel“, „Stern“ und „Focus“ liegen in Ostdeutschland bei fünf Prozent Reichweite. Was sagt das über diese Magazine aus?

Dass sie erfolgreich ihre Zielgruppe in den alten Ländern bedienen. Würden sie die Leser in den neuen Ländern bedienen, würden sie die alten verlieren. Das ist einfach so. Unser Land ist größer geworden, nicht alles wird überall gelesen. Den „Stern“ liest man vor allem im Norden, die „Bunte“ im Süden, „Super Illu“ im Osten.

Eine Untersuchung fand heraus, dass sich Ostdeutsche weniger für politische Berichte interessieren. Leitartikel werden von 46 Prozent der Westdeutschen gelesen, aber nur von 35 Prozent der Ostdeutschen. Was sagt das über die Bevölkerung aus?

Dass sie der Politik misstrauen und vorgefertigte Meinungen ablehnen. 40 Jahre sagte man ihnen, was sie zu denken haben. Deshalb drucken wir lieber Streitgespräche. In Reportagen schreibt nicht der Journalist, wie er die Dinge sieht, sondern lässt die Leute, die er trifft, zu Wort kommen.

Wie hat sich „Super Illu“ gewandelt?

Am Anfang hat die Leser vor allem interessiert, welche Westprodukte sie kaufen sollen, was die Bonzen in Wandlitz getrieben haben. Und sie haben sich für Sexualität und Beate-Uhse-Shops interessiert. Als sich die Euphorie gelegt hatte, wurden Alltagsprobleme wichtiger: Mietpreise, Arbeitslosigkeit. Als die Gauck-Behörde ihre Arbeit aufnahm, schien es in der öffentlichen Wahrnehmung, als sei jeder DDR-Bürger ein Stasi-Spitzel gewesen. Die Leute konnten es nicht mehr hören. In dieser Zeit haben wir uns auf Hilfe im Alltag konzentriert. Nachdem dann genug Erfahrungen mit Westprodukten und Westkünstlern gemacht waren, wurden die Ostprodukte und die alten Stars wieder entdeckt. Mitte der 90er kam eine sehr positive Stimmung auf. Wir förderten dies, indem wir über ostdeutsche Siegertypen geschrieben haben und wie man sich selbstständig macht. Seit drei Jahren gibt’s wieder ein Stimmungstief. Hartz IV und die Arbeitslosigkeit sind die bestimmenden Themen. Die Entwicklung der „Super Illu“ entsprach immer dem jeweiligen Stimmungsbild im Osten.

Was muss passieren, damit Unterschiede zwischen Ost und West verschwinden?

Es braucht einen Neuanfang. Die vergangenen 15 Jahre standen zu sehr unter dem ökonomischen Aspekt. Westdeutsche müssen lernen, den Ostdeutschen auf Augenhöhe zu begegnen. Diese fühlen, dass sie in diesem Land mit ihrem gelebten Leben nicht hundertprozentig akzeptiert werden. Deshalb rennen manche zur PDS. So lange die Bayern anstatt Ostdeutschland kennen zu lernen, lieber nach Österreich und Baden-Württemberger lieber ins Elsass fahren, muss man sich nicht wundern.

Jochen Wolff , 56, ist seit 1996 Chefredakteur von „Super Illu“. Zu Burdas Super- Gruppe gehörte „Super TV“, das der Gong- Verlag gekauft hat. Als Flop erwies sich einst die „Super“-Zeitung.

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