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Medien: „Es gibt sie, und dies zu Recht“

Der Medienjournalismus ist in die Kritik geraten. Schuld daran ist die New Economy, sagt Michael Jürgs. Eine Debatte (Teil I)

Als zum ersten Mal die magischen Worte im Raum schwebten, „Neue Medien“, hörten sich die im KohlIdiom der Ahnungslosen so ähnlich an wie „neue Mädchen“. Das klang viel versprechend. Als es mit den eigentlich gemeinten neuen Medien dann losging, wobei sich bald herausstellen sollte, dass sie so neu nicht waren, gab es bereits die ständigen Begleiter: Medientreffs, Medientage, Medienexperten, Medienpreise, Medienmacher. Selbst der Hässlichste unter diesen Dreitagebärtigen hatte nach der Bemerkung, er sei im Medienbusiness tätig, bei neuen Mädchen gewisse Chancen, die er als normaler Hohlschwätzer nie im Leben gehabt hätte.

Das scheint verdammt lange her. Etwa drei Jahre. Denn just dann, als es biotopig wurde in der Schleimwelt New Media – „Du warst gut. Wie war ich?“ –, als Trendforscher aus zweitklassigen Gedanken erstklassig honorierte Spruchblasen steigen ließen, als das Motto galt „Du bist blöd, ich bin blöd, und die Mehrheit ist so blöd, dies nicht zu merken“, gingen die Lichter aus.

Mit den Haffas und den Kabels verschwanden auch andere Clowns aus der Medienmanege. Es lohnt nicht, ihnen eine Träne des Mitleids hinterher zu schicken. Lieber mitleidslose Staatsanwälte.

Doch seitdem sich in der „Generation Boah Ey“ der Trend zum Zweitbuch durchgesetzt hat, weshalb der Teppich-Ständer Bohlen für den Herbst weitere Ergüsse ankündigt, sind Selbstdarsteller wieder gefragt. Der Dreck muss schließlich beschrieben, die Brühe zumindest umgerührt werden. Dafür braucht es rührige Medienmenschen. Der Beruf des Journalisten, einst basierend auf Talent und erlerntem Handwerk – Informieren, Recherchieren etc. – wird von denen als Gewerbe ohne Schein geübt, als Scheingewerbe. Nicht mal Übung macht dabei einen Meister, aber wer will es den in der Krise noch mal Davongekommenen vorwerfen, sich zu verkaufen? Wer will denn von wortgewaltigen Artisten, die Wortgewalt nicht mit der Gewalt gegen Worte verwechseln, darüber lesen, was es mit der Gesellschaft, also mit uns, zu tun hat, dass im „Superstar“-Zirkus ein teuflisches Spiel mit gemein menschlichen Eigenheiten – Gier, Geilheit, Größenwahn – so erfolgreich ist? Nach dem Muster ließe sich ein Kanzler wählen. Immer samstags scheidet ein Kandidat aus, und am Ende bleibt eine/einer übrig.

New Journalism? Ach ja. Alt gegen jung? Ach, ja. Gut oder schlecht? lautete einst die simple Frage. Der Meister des Genres Medienjournalismus heißt Günther Kress. Sein „Kress-Report“ hatte nicht nur exklusive News, der Besitzer schrieb sie alle selbst. Vorbei. Mit ihm ging auch die Sprache. Seine Nachfolger umgehen sie wortreich. Warum gibt es eigentlich kein ins Mark oder wenigstens ins Bein treffendes Buch über Medienjournalisten und die natürlichen Grenzen ihrer Wahrnehmung? Weil die nicht wissen, wann und vor allem wo man sich wieder trifft.

Es gibt zwar Medienseiten in vielen Zeitungen, und dies zu Recht, denn das Business zu durchleuchten ist so wichtig wie die Recherche in anderen Bereichen der Wirtschaft auch, manche sind gut, zwei sind sehr gut, viele doppelschnarchig. Das liegt selbstverständlich nicht daran, dass Medienkonzerne in ihren kommerziellen Interessen von ähnlichen Problemen gebeutelt sind, so dass der alle wärmende Mantel des Schweigens größer geworden ist. Kant für Medienmacher müsste lauten: Was du nicht willst, dass ich dir tu’ – auf meiner Medienseite – , das füg’ auch keinem anderen zu – also auf deiner.

Da diese Branche wie das Showbusiness von Gerüchten lebt, ein feines Beispiel: Insider behaupten, dass die vom „Spiegel“ aufgedeckte Verquickung Kirch/Klatten/EM.TV deshalb im Nachrichtenmagazin so detailliert nachzulesen war, weil Ex-Spiegel-Geschäftsführer Werner E. Klatten denen selbst das Material hat zuspielen lassen…

Braucht es überhaupt regelmäßig Berichte in den Medien über Medien ähnlich denen für Kultur, Wirtschaft, Politik, Lokales etc.? Ja? Nein? Vielleicht? Auf solche Sinn-Fragen werden nach dieser Ouvertüre noch viele Experten eine Antwort geben. Kann spannend werden. Von wegen nämlich neue Mädchen. Alte Mächtige bestimmen die Medienwelt.

Michael Jürgs war Chefredakteur von „Stern“ und „Tempo“, hat mehrere Bücher geschrieben, zuletzt „Keine Macht den Drögen – Menschen, Medien, Sensationen“. Fotos: Heinrich, dpa

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