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Endspielstimmung auf der Reeperbahn. Die 37 000 ESC-Fans, die am Samstagabend den Sieg von Lena mit ihrem Song „Satellite“ in Hamburg feierten, werden – wie beim Public Viewing üblich – in der Quotenmessung nicht einmal erfasst. Foto: ddp

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Eurovision Song Contest: Lena schlägt alle

Mit 15 Millionen Zuschauern verschafft „Unser Star für Oslo“ dem Ersten eine sensationelle Quote

Die Vorstellung, dass Peter Urban die Worte ausgehen könnten, fällt schwer. Genauso schwer, wie es Deutschlands Stimme des Eurovision Song Contests am Samstagabend in Oslo fiel, den sich abzeichnenden Sieg von Lena gedanklich zuzulassen. „Ich glaube es nicht“, kommentierte er die zwölf Punkte aus Estland, nachdem er zuvor ausgerufen hat: „Mich tritt ein Pferd“. Spätestens nach Mazedonien stand jedoch fest, dass Lenas Song „Satellite“ den Schlagerhimmel zum Strahlen bringen wird. Und dass die ARD im Jahr 2011 die große Verantwortung trägt, den 56. Grand Prix auszurichten.

28 Jahre nach dem Erfolg von Nicole kam der Sieg der 19-jährigen Abiturientin aus Hannover zwar nicht unverhofft, aber offensichtlich doch unerwartet. Nicht nur Lena war völlig entgeistert. Auch die ARD und ihr langjähriger Kommentator waren darauf nicht wirklich eingestellt. Die einzige Frage, die Urban Lena im folgenden Spontan-Interview stellte, war, welche anderen Pläne sie sich nun für ihr Leben vorstellen könne. Lena blieb lenahaft schlagfertig: „Es fängt gut an“.

Das kann auch das Erste sagen: 14,7 Millionen Menschen schalteten in Deutschland den Song Contest ein, doppelt so viele wie noch vor einem Jahr. Der Marktanteil der Show lag bei 49,1 Prozent. Die diesjährige Zuschauerzahl des ESC war damit die zweithöchste für diese Veranstaltung seit Einführung der Zuschauererfassung. Höher hatte sie nur 1980 mit 17,35 Millionen Zuschauern gelegen. Damals erreichte Katja Ebstein mit „Theater“ den zweiten Platz – und im deutschen Fernsehen hatte der Zuschauer die Wahl zwischen drei Programmen.

Insgesamt verfolgten 2010 in Europa 125 Millionen Zuschauer den ESC. Nur zur Erinnerung: Die 1956 von der Europäischen Rundfunkunion als Grand Prix d’Eurovision de la Chanson ins Leben gerufene Veranstaltung war neben dem Wettbewerb immer auch Fernsehunterhaltung, die allerdings in Deutschland in den 90er Jahren immer mehr an Aufmerksamkeit verlor und auch im neuen Jahrtausend für Deutschland nur bedingt erfolgreich war – und sich davon erst jetzt durch die Zusammenarbeit von ARD, Pro Sieben und vor allem Stefan Raab erholt hat. „Der erste Teil der nationalen Aufgabe ist erfüllt. Wir treten 2011 in Deutschland zur Titelverteidigung an. Never change a winning team!“, erklärte dazu Thomas Schreiber, der ARD-Koordinator Unterhaltung. Federführend zuständig für den Song Contest ist in der ARD der Norddeutsche Rundfunk. Dessen Intendant Lutz Marmor war nach dem Sieg hingerissen, wie Lena ganz Europa bezaubert hat. „Ein Märchen ist wahr geworden. Jetzt freuen wir uns auf den Eurovision Song Contest, den die ARD als Gastgeber in Deutschland ausrichten wird.“

In welcher Stadt das große Finale stattfinden wird, werde nach sorgfältiger Prüfung der verschiedenen Möglichkeiten entscheiden, sagte Marmor. Es gibt vieles zu klären, auch finanziell wird der Wettbewerb zur Herausforderung für die klammen ARD-Anstalten. Norwegen hat sich die Austragung 32 Millionen Euro kosten lassen, dafür müssen die Zuschauer dort auf Übertragungen von der Fußball-WM verzichten. Auch an TV-Filmen und Unterhaltungsshows musste gespart werden. Bevor sich Volker Herres, Programmdirektor Erstes Deutsches Fernsehens, Gedanken macht, woher die Mittel für den ESC 2011 kommen, freut er sich zuerst einmal über die vielen jungen Zuschauer. Bei den 14- bis 29-Jährigen lag die Quote mit 63,5 Prozent nicht nur weit über dem Durchschnittswert des Abends, sondern zugleich weit über dem Sendermittel. „Der ESC ist die einzige europaweite Unterhaltungsshow, die lebt“, schließt daraus der ARD-Programmdirektor. Auch Pro-Sieben-Sat-1-Fernsehvorstand Andreas Bartl will da nicht zurückstehen: „Ich bedanke mich bei Stefan Raab, Das Erste und Pro Sieben für das gute Teamwork.“

Rechnerisch hat am Samstagabend halb Deutschland vorm Fernseher verbracht. Das Fußball-Länderspiel Deutschland – Ungarn sahen im ZDF 7,21 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 25,5 Prozent). Der Sieg von Vitali Klitschko gegen Albert Sosnowski mit einem technischen K. o. auf RTL verzeichnete 6,71 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 23,3 Prozent). Auf die Klitschkos kann der Kölner Sender auch weiterhin zählen; am Samstagabend unterzeichneten RTL und die Klitschko Management Group (KMG) einen neuen TV-Vertrag für vier weitere Kämpfe der beiden Schwergewichts-Champions.

In der Spitze hatten den ESC sogar rund 20 Millionen Zuschauer eingeschaltet. Den „Countdown für Oslo“ um 20 Uhr verfolgten 5,32 Millionen, die 37 000 Fans auf der Reeperbahn ebenso wenig mitgezählt wie die Public-Viewing-Gäste in Hannover oder Düsseldorf. Bei der „Grand Prix Party“ nach dem ESC-Finale ab 0 Uhr 20 schauten noch 6,63 Millionen zu. Auch bei dem zentralen ESC-Internetangebot der ARD unter www.eurovision.de sorgte der Wettbewerb für Rekordquoten: Am Samstag wurden fast fünf Millionen Seitenabrufe (2009: 2,1 Millionen) gemessen. Die Begeisterung über Lenas Sieg endet nicht an Deutschlands Grenzen: „Deutschland reißt Eurovision ins 21. Jahrhundert“, schwärmt die BBC auf ihrer Homepage „für den ersten zeitgemäßen Pop-Hit, den die Eurovision in den letzten Jahrzehnten produziert hat“.

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