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Eva Prohacek und die "Sexbestie": Wer ist das Monster?

Senta Berger alias Ermittlerin Prohacek wird von ihrem neuen Fall noch mehr mitgenommen als sonst. Es geht um Sexualstraftäter und die Diskussion um die nachträgliche Sicherheitsverwahrung.

Friedrich Schmolzer hat vier Frauen vergewaltigt. Er saß zwölf Jahre im Gefängnis, nun ist er frei. Schmolzer lebt bei der Familie seines Bruders im bayerischen Wallershofen, er hat wenig zu tun, fährt mit dem Auto herum. An diesem Abend sitzt er im Unterhemd am Steuer. Er hört Radio, wirkt entspannt. Bis ihn ein Streifenwagen stoppt. Der Polizist fordert ihn auf auszusteigen und fragt: „Wo ist sie?“ Man habe ihn zusammen mit einer Frau gesehen. Die Situation eskaliert, der Beamte Walter Maiberger schlägt und tritt wie von Sinnen auf sein Opfer ein. Passanten sehen zu, keiner rührt einen Finger. „Der wird nie aufhören“, wird Maiberger später über den Sexualstraftäter erklären. Mit dieser Meinung steht er im Ort nicht allein. Man ist sich einig: Schmolzer, die „Sexbestie“, muss weg. Seit Wochen demonstriert eine Mahnwache aufgebrachter Bürger vor dem Haus des Bruders, der dort mit seiner Frau und zwei Töchtern lebt.

Die Reihe „Unter Verdacht“ erfreut seit Jahren durch das feine Sezieren der bayerischen Spezl-Wirtschaft, durch die spitzzüngigen Duelle zwischen der aufrechten Kriminalrätin Dr. Prohacek (Senta Berger) und ihrem gut vernetzten, aber auf dem Sprung nach oben immer scheiternden Vorgesetzten Dr. Reiter (Gerd Anthoff). Häufig gelingen Krimis, die bittersüßen Humor und Gesellschaftskritik prächtig miteinander verbinden. Bei „Ohne Vergebung“, dem 20. Film aus der Reihe, wird es jedoch so ernst und beklemmend wie selten. Dieses Thema verträgt nichts Komödienhaftes, die Prohacek ist noch mitgenommener, der Reiter noch hinterhältiger als sonst. Und Prohaceks Kollege Langner (Rudolf Krause) trägt sogar eine Wunde am Kopf davon, die ihn außer Gefecht setzt.

Der Fall hat einige Bezugspunkte zur Realität: Tatsächlich erklärte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die nachträgliche Sicherheitsverwahrung im Jahr 2009 für menschenrechtswidrig. Und das Szenario mit der Bürger-Mahnwache erinnert an Vorkommnisse im rheinischen Heinsberg vor Jahren. Spannung entsteht nicht zuletzt durch den allgegenwärtigen Verdacht, dass die Ängste der Nachbarn, so abstoßend die hasserfüllte Stimmung wirken mag, berechtigt sind: Kann einer wie Schmolzer tatsächlich aufhören? Die Figur entspricht keinem Monster-Klischee und ist dennoch unheimlich. Darsteller Michael Stange bewegt sich betont langsam, spricht bedächtig und, wie es scheint, überlegt – eine harmlos wirkende Durchschnittstype, die etwas zu verbergen hat und der man alles zutraut.

Prohacek und Langner kämpfen diesmal auf besonders einsamem Posten. In Wallershofen schlägt ihnen Feindseligkeit entgegen, das ist nicht anders als in anderen Krimis mit ähnlichem Thema. Hinzu kommt das „Unter Verdacht“-typische Karrieregerangel hinter den Kulissen. Die Autoren Stefan Holtz und Florian Iwersen sowie Regisseur Andreas Herzog drehen noch einmal an der Schraube und lassen Reiter geradezu diabolisch die Fäden ziehen, immer schön die Arbeit der internen Ermittler torpedierend. Reiter reagiert wie ein verwundetes Tier, gleich zu Anfang hat man ihm den Fall entzogen, und seine Kollegin Charlotte Lorenz (Bettina Mittendorfer) versucht sich nun öffentlichkeitswirksam zu profilieren. Das alles wird auf Prohaceks Rücken ausgetragen, das Finale treibt die Allein-gegen-alle-Konstruktion auf die Spitze. Spätestens da wird aus einem ungewöhnlichen ein gewöhnlicher Krimi, bei dem die Heldin im letzten Moment das Schlimmste verhindern muss.

Zwei Wochen später zeigt Arte bereits den nächsten neuen Film aus der Reihe: In „Türkische Früchtchen“ geht Langner bei einer U-Bahn-Schlägerei dazwischen und wird unfreiwillig zum Kronzeugen einer Medienkampagne gegen gewalttätige Jugendliche.

„Unter Verdacht: Ohne Vergebung“, Arte, Freitag, 20 Uhr 15

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