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Extrem-TV: Der Stellvertreter

Ein RTL-Journalist geht an seine Grenzen. Für seine Reportagen lebt er als Alkoholsüchtiger.

Für Jenke von Wilmsdorff war es schwer, sich an seine neue Diät zu gewöhnen. Jeden Tag Alkohol in rauen Mengen. Wein, Bier, Schnaps – und das schon am frühen Morgen. Weil er das Bier um 11 Uhr morgens nicht herunterbekam, mischte der RTL-Reporter Wein mit Schoko-Flakes. Und stellte überrascht fest: Das schmeckt. Nach vier Wochen war von Wilmsdorff beinahe süchtig, sagt er: „Ich dachte erst, Aufhören sei überhaupt kein Problem. Im Karneval trinken die Leute ja auch Wochen lang jeden Tag. Aber es war doch recht schwer. Bis mittags ging es, aber ab vier Uhr hab ich mir wieder zwei, drei Gin Tonic gegönnt.“ Erschrocken verzichtete von Wilmsdorff sechs Wochen lang komplett auf Alkohol. Jetzt findet er seinen Konsum wieder normal.

Für die Reportage-Reihe „Das Jenke-Experiment“, die heute Abend auf RTL startet, taucht von Wilmsdorff jeweils vier Wochen in fremde Leben ein, versucht herauszufinden, wie sich diese anfühlen. „Die Zuschauer denken bei vielen Themen: ,Das kenn’ ich schon, hab’ ich schon tausendmal gesehen.‘ Deshalb machen wir das anders. Ich erzähle, indem ich stellvertretend für den Zuschauer Dinge erlebe.“ – zum Beispiel die Alkoholsucht.

Alkohol ist eine der gefährlichsten Drogen. Jeder kann süchtig sein: Obdachlose ebenso wie Manager oder Mütter – auch Menschen, denen man es nicht ansieht. Allein in Deutschland haben rund zehn Millionen Menschen ein Alkoholproblem. Darunter leiden aber noch: Ehepartner, Kinder, Freunde. Zwei Tage vor dem Ende des Experiments musste von Wilmsdorff auf Anraten eines Arztes abbrechen, er hatte eine schmerzhaft Thrombose im Enddarm – vermutlich ausgelöst durch den Alkohol. Und das war nicht die einzige Nebenwirkung. Aber darum geht es von Wilmsdorff: Zeigen, was die Droge mit dem Menschen anstellt. „Das muss ich hinnehmen, dass mein Gesicht aufquillt, dass ich rote Augen habe und einfach nur mies aussehe“, sagt er. Aber auch von Wilmsdorfff macht irgendwann die Kamera aus.

Mit seinen Experimenten bewegt er sich in der Nähe von Reality-Formaten wie der „Super Nanny“. Es ist ein Drahtseilakt zwischen Voyeurismus und Information. In der Folge über Armut schläft er an Heiligabend bei Obdachlosen. Ist das bloße Effekthascherei? „Ich hoffe, dass das nicht so rüberkommt. Es geht eher um Vertrauen. Sie merken, dass mich ihr Leben interessiert und ich sie ernst nehme, wenn man die Nacht mit ihnen verbringt und Tütengulasch isst.“

Von Wilmsdorff ist dafür bekannt, dass er dort weitergeht, wo viele andere Reporter stehen bleiben: Er fuhr mit Flüchtlingen von Afrika nach Lampedusa und drehte Filme in Krisengebieten. Manchmal scheitern Reportagen aber auch. Für eines der Experimente wollte er vier Wochen lang in die Rolle eine Frau schlüpfen. Schnell stellte er fest, dass es nicht dasselbe sein würde. Deshalb versuchte er, sich dem Thema anders zu nähern. In Amsterdam etwa haben Forscher Männer in künstliche Wehen versetzt. Von Wilmsdorff ließ sich darauf ein. „Die Wehen waren die Hölle. Danach habe ich zwei Tage flachgelegen, war dünnhäutig und labil. Irgendwelche Hormone haben mich komplett durchgerüttelt. Das klingt vielleicht total gaga, aber ich habe mich nach diesen zwei Stunden so gefühlt, als könne ich ein Kind gebären.“ Max Muth

„Das Jenke-Experiment“, 21 Uhr 15, RTL

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