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iPhone

© dpa

Fair gehandelte Elektro-Produkte: Surfen mit gutem Gewissen

Das iPhone als Fairtrade-Produkt? Erste Initiativen machen vor, dass sozial verträgliche Elektronik-Produkte wie PC-Mäuse oder Smartphones keine Utopie sein müssen.

Es liegt ein Schatten über der Elektronik-Branche. Das Image der großen Markennamen hat gelitten. Denn Menschenrechtsorganisationen und Medien werden nicht müde, auf die Missstände in der Produktionskette von Smartphones & Co. hinzuweisen. Die Berichte handeln von Coltan-Minen im Kongo, die einen blutigen Bürgerkrieg finanzieren, sie handeln von erschütternden Arbeitsbedingungen in Herstellerbetrieben und sie erzählen von illegalen Müllkippen, auf denen der Elektroschrott Land und Leute langsam vergiftet.

Inmitten dieser düsteren Szenarien ragte kürzlich eine Nachricht heraus wie ein Leuchtturm: Das Fairphone werde alles besser machen. Es soll das erste zumindest teilweise fair produzierte Smartphone der Welt werden. 2012 wurden in Deutschland erstmals mehr Smartphones verkauft als „traditionelle“ Handys, hat der Hightech-Verband Bitkom ermittelt. Jeder dritte Deutsche besitzt mittlerweile ein Smartphone und der Rest wird wohl bald eines haben wollen. Das Fairphone verspricht den Käufern, denen die Lust an der Technik zu vergehen drohte, ein gutes Gewissen und einen Ausweg aus der Branchenmisere. Dementsprechend viel Aufmerksamkeit wurde dem Projekt eines Fairphones zuteil, aber auch Kritik.

Vor allem aber lenkte es den Blick auf eine Frage, die bisher kaum gestellt wurde: Wo bleibt die Fairness in der IT-Industrie? In der Branche prallen Welten aufeinander. Ausgerechnet dieser als hochtechnologisiert wahrgenommene Sektor ist geprägt von Handarbeit. Die Branche wird bestimmt von extremer Arbeitsteilung und kaum zu durchschauenden Lieferketten.

Es gibt viele Gründe, warum es fair gehandelten Kaffee, Schokolade, Tee und Kleidung gibt, aber keine fair produzierten Computer. Der offensichtlichste Grund ist: So ein Computer ist ganz schön kompliziert. Aber man kann ja auch erst mal eine Nummer kleiner anfangen. Das dachte sich zumindest Susanne Jordan. Die diplomierte Geografin lebt in einer 7er-WG im bayerischen Bichl, einem 2000-Seelen-Ort bei Benediktbeuern. Einmal die Woche jobbt die 36-Jährige in einem Café und hilft ab und zu als Erzieherin in der Kindertagesstätte aus. 2009 fasste sie einen Plan. Sie würde es den Konzernen vormachen und ein faires Elektronik-Produkt schaffen: eine Computermaus. „Ich dachte mir: Einer muss ja den Anfang machen.“ Es dauerte drei Jahre.

Mit detektivischem Ehrgeiz entschlüsselte Jordan die Lieferkette der gut ein Dutzend Einzelteile ihrer Maus (ein Handy besteht aus mehr als 100 Komponenten), um sie dann Stück für Stück fairer zu gestalten. Gerne hätte Jordan auf recycelte Rohstoffe zurückgegriffen. Doch irgendwo zwischen Rohstoffgewinnung und fertigem Bauteil verlieren sich die Spuren oft im Netz der Fertiger, Zwischenhändler und verarbeitenden Betrieben. „Da sind oft noch mal fünf Firmen dazwischen, die ich alle kennen muss, mit denen allen ich reden muss, wo sie denn jetzt ihre Rohstoffe herbekommen“, klagt Jordan. Hinzu kommt: Manche Zulieferer schweigen sich gerne darüber aus, woher sie ihre Teile beziehen. Auch an anderer Stelle musste Jordan Abstriche machen. An China führte für Nager IT, so heißt ihr Verein heute, am Ende kein Weg vorbei: Bestimmte Teile wie das Kabel, Scrollrad und die Füße der Maus waren nur dort zu bekommen.

Den Wirtschaftssoziologen Boy Lüthje überraschen all diese Probleme gar nicht, der sich am Institut für Sozialforschung in Frankfurt/Main mit den Produktions- und Lieferketten in der IT-Branche beschäftigt. Nach derzeitigem Stand der Dinge wage er es gar nicht, von fairer IT auch nur zu träumen, sagt Lüthje.

Die Branche ist geprägt von Geheimniskrämerei.

Die Branche werde beherrscht von den sogenannten Kontraktfertigern. Das sind meist „No Name“-Produzenten, die im Auftrag großer westlicher Technik-Konzerne operieren, aber nie selbst in Erscheinung treten. „Tarnkappenfirmen“ taufte sie deshalb die „New York Times“. Die Branche ist geprägt von Geheimniskrämerei. „Es gilt im Prinzip als Geschäftsgeheimnis einer jeden Markenfirma, mit welchem Auftragsfertiger gefertigt wird. Und die Auftragsfertiger wiederum tun alles, um eine öffentliche Kontrolle über die Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse in ihren Betrieben zu verhindern.“ Nur den größten Global Player von allen, den kennt inzwischen jeder, und er ist der Inbegriff allen Übels geworden: Foxconn. Dabei hat sich gerade in diesem Fall gezeigt, dass die Auftraggeber aus dem Westen sehr wohl auf die Produktionsbedingungen Einfluss nehmen können.

Nach den Skandalberichten beeilte sich Apple, der Fair Labour Association beizutreten und mehr Druck auf den Zulieferer auszuüben. Das war medienwirksam und sorgte tatsächlich für Veränderungen in dem entsprechenden Betrieb, gibt Cornelia Heydenreich von der Organisation Germanwatch zu. Aber: „In vielen anderen Betrieben bleibt alles beim Alten“, mahnt Heydenreich. Es braucht Regeln. Die Politik müsse die westlichen Konzerne stärker in die Pflicht nehmen, damit die sich nicht länger ihrer Verantwortung entziehen könnten, fordert Heydenreich. Und sie müsse für mehr Transparenz sorgen. In der Textilbranche sei man da schon viel weiter. „Da sind die Unternehmen auch schon länger unter Beschuss.“

Auf EU-Ebene gebe es zwar bereits einen Vorschlag für eine Richtlinie, der darauf abziele. Die großen Konzerne sollten demnach künftig Rechenschaft ablegen über die sozialen und ökologischen Standards in ihren eigenen Betrieben und denen der Tochterfirmen und Zulieferer. Doch Deutschland trete auf die Bremse, kritisiert Heydenreich. „Die aktuelle Bundesregierung ist da nicht unterstützend.“

Für mehr Regeln auf dem Markt plädiert auch der Wirtschaftssoziologe Lüthje. Und am besten fängt man oben, an der Spitze der Nahrungskette, damit an, sagt Lüthje. „Man könnte zum Beispiel, da ist bisher noch nie wirklich darüber geredet worden, faire Arbeitsbedingungen zu einem Zulassungskriterium für Handys und andere Kommunikationsgeräte machen“, sagt Lüthje.

Auch Susanne Jordan ahnt, dass ihr Projekt nur ein Tropfen auf dem heißen Stein bleibt, wenn die großen Konzerne nicht nachziehen. Im Gegensatz zu ihr, einer Einzelkämpferin, hätten die Markenkonzerne doch ganz andere Möglichkeiten, die Branche zum Besseren zu verändern. „Wenn es ein Qualitätsproblem gibt, dann können die auch alles zurückverfolgen“, sagt sie.

Oder zum Beispiel Logitech, der größte Hersteller für Computer-Mäuse. Die Firma verkaufte in ihren besten Jahren etwa 100 Millionen Mäuse pro Jahr. Nager IT hat gerade vor wenigen Monaten erst die 2000er- Marke geknackt.

Logitech wäre es ein Leichtes, eine faire Maus herzustellen und für unter zehn Euro anzubieten, da ist sich Jordan sicher. Das größte Problem der fairen Maus seien nämlich die kleinen Stückzahlen. Für viele Hersteller ist Nager IT als Kunde nicht interessant.

Seit fast einem Jahr gibt es die Maus von Nager IT zu kaufen. Von ihrem ursprünglichen Plan, eine zu 100 Prozent faire Maus zu entwickeln musste Jordan zwar abrücken. Aber immerhin zu zwei Dritteln sei es ihr und ihren Mitstreitern gelungen, rechnet sie vor. Die nächste Version der Maus soll noch fairer werden.

Susanne Jordan wünscht sich Nachahmer, kleine Initiativen, die Lampen, Kopfhörer, Mixer und andere Geräte nach fairen und nachhaltigen Kriterien entwickeln. Bis „ein richtiges Sortiment“ an zumindest teil-fairen Elektronik-Produkten entsteht. Apple und Co werden dann schon von alleine folgen, so die Hoffnung. Ein Konzern könnte ja mal mit einer Produktlinie anfangen, schlägt die 36-Jährige vor. Damit lässt sich schließlich auch gutes Marketing machen.

Das Fairphone-Projekt.

Eine holländische Initiative will das erste zumindest teilweise fair hergestellte Smartphone auf den Markt bringen. Entstanden ist das Fairphone-Projekt aus einer gegründeten Initiative gegen Bürgerkriegs-Coltan in Mobiltelefonen. Um ihre Idee in die Tat umzusetzen, brauchte das Team 5000 Vorbestellungen, mehr als 10 000 gingen ein. Die ersten Modelle sollen im Oktober ausgeliefert werden. Mit 325 Euro ist das erste „faire“ Smartphone etwa genauso teuer wie die Konkurrenz. Auch technisch soll es sich nicht von üblichen Modellen unterscheiden. Das Fairphone setzt aber eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen um. So soll es mit zwei Sim-Karten funktionieren, was den Bedarf an Handys für den privaten und geschäftlichen Bedarf verringert. Möglichst viele Komponenten sollen austauschbar sein.

Wirklich „fair“ kann das neue Handy noch lange nicht sein. Gerade mal zwei von 30 für die Herstellung benötigten Metalle, das Zinn und das Tantal, sollen aus „konfliktfreien“ Minen aus dem Kongo stammen. Auch mit dem Auftragsfertiger, dem chinesischen Konzern A’Hong muss man sich noch darauf verständigen, was unter „fairen Arbeitsbedingungen“ zu verstehen ist. las

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