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Medien: Feiger Mann, was nun?

Im Beziehungsdrama „Die Frau von früher“ holt Devid Striesow die Vergangenheit ein.

Männer als Schwächlinge, fast Karikaturen ihrer selbst, Frauen als starke Personen, fast Hyänen – diese Konstellation ist ein Topos der Gegenwartskunst, vor allem der Dramatik. Roland Schimmelpfennig, der zurzeit meistgespielte Gegenwartsdramatiker Deutschlands, hat daraus 2004 in „Frau von früher“ ein recht erfolgreiches Theaterstück gemacht. In Andreas Kleinerts filmischer Adaption darf Devid Striesow als feiger Mann ran. Mit Bart. Alleine das macht aus den 110 Minuten Beziehungsdrama am Freitagabend auf Arte ein verstörendes Fernseherlebnis – das man sich am besten nicht mit seiner Partnerin anschauen sollte.

Es geht um die Frage, was aus einer langjährigen Ehe, einem Bund von Gewissheiten, Kompromissen und scheinbaren Wahrheiten werden kann, wenn so etwas wie die absolute Liebe einbricht. Am Anfang steht schon ein Fiasko: Aus beruflichen Gründen ist der Mittvierziger Frank (Striesow) gezwungen, seinen Job in der Finanzbranche aufzugeben. Was genau geschehen ist, erschließt sich dem Zuschauer nicht. Auch warum die Familie, Frau Claudia (Anna Loos) und der17-jährige Sohn Alex (Jonas Nay) nach Toronto auswandern wollen, bleibt unklar. Sicher ist: Frank wurde sehr gut abgefunden. Es ist die letzte Nacht in Berlin.

Kaum haben die Möbelpacker aber den Altbau verlassen, steht Romy (Ursina Lardi) vor der Tür. Rote Lederjacke, kurzer Rock, Stöckelschuhe. Frank erkennt die Frau zuerst gar nicht und will nicht wahrhaben, dass es die Frau ist, mit der er vor 24 Jahren einen Sommer – oder waren es gar zwei? – liiert war.

Die Ausgangsproblematik dieses Stücks ist etwas unklar. Was soll nach einem Vierteljahrhundert daran schlimm sein, wenn die Ex-Freundin aus Jugendzeiten vor der Tür steht, zudem man am nächsten Tag mit seiner Frau ein neues Leben beginnt? Zudem diese Romy offenbar unter Wahn- oder besser Wunschvorstellungen leidet. „Ich war 17 und du 19“, hilft Romy der Erinnerung Franks ein wenig auf die Sprünge. „Und du hast mir ewige Liebe geschworen.“

Ein uraltes Versprechen also, diese Liebe fordert Romy jetzt ein. Frank kann es nicht fassen. Seine Frau Claudia ist perplex, es kommt zum lautstarken Bruch, die übergriffige Romy wird rausgeworfen. So what. Das ist alles etwas verstiegen, etwas überhöht, denkt man sich. Wie sich das Ganze in der zweiten Stunde dann aber doch noch zu einem spannenden Beziehungsdrama auswächst, verdankt sich den darstellerischen Leistungen von Striesow, Loos, Lardi und – am besten – von Nachwuchsstar Jonas Nay sowie der Inszenierung von Andreas Kleinert („Wege in die Nacht“). Die hebt das Fast-Kammerspiel – ein Großteil spielt in der leer geräumten Berlin-Moabiter Altbauwohnung – mit Perspektivwechseln und teils verwirrenden Zeitsprüngen auf eine höhere, fast parabelhafte Ebene. Diese Mann-Frau Geschichte ist interessant, aber irgendwie auch unwirklich, gespenstisch.

Am Ende wird aus der Versuchsanordnung ein gewalttätiger Geschlechterkampf. Beim Zuschauer bleibt Ratlosigkeit. Wenn die Frauen nach einem Vierteljahrhundert Emanzipation wissen, wer sie sind und was sie wollen, die wahrhaft Herausgeforderten, die hin- und hergerissenen Spielbälle aber die feigen Männer sind, dann würde man sich einen versöhnlicheren Ausgang aus dieser Ehe wünschen als den hier von Schimmelpfennig/Kleinert. Vielleicht gibt es diesen Ausgang gar nicht. Da hilft auch kein Bart.

„Die Frau von früher“, Arte, 22 Uhr 35

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