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© NDR

Fernsehen: Der deutsche Al Gore?

Noch-„Tatort“-Kommissar Robert Atzorn beschwört „Die Rache der Ozeane“. Umwelt hat Konjunktur, doch ARD tut sich verdammt schwer damit.

Das Packeis schmilzt, das Wasser wird warm und sauer, Korallenriffe werden grau und brüchig, Fische sterben aus, die Meeresspiegel steigen, Inseln wie die Malediven verschwinden – bei solch trüben Aussichten ändert die ARD sogar ihr Herz-Schmerz-Programm am Freitagabend. „Die Rache der Ozeane“ , ein ambitionierter Naturfilm mit Prominentenbonus (Frank Schätzing, Robert Atzorn), hat aus Anlass der Klimakonferenz auf Bali ausnahmsweise den Krimi aus der Konserve verdrängt, der sonst auf die beschwingten 20-Uhr-15-Filme der ARD-Tochter Degeto folgt.

Immerhin ist mit dem Noch-„Tatort“-Kommissar Robert Atzorn eine gewisse Kontinuität gewahrt. Der Schauspieler, als ehemaliger TV-Pfarrer, TV-Lehrer, TV-Kapitän und TV-Polizist offenbar auch eine Autoritätsperson in Klimafragen, führt an verschiedenen Schauplätzen durch den Film. Meistens ist er mit sachlichen Kommentaren aus dem Off zu hören. Problematisch wird’s, wenn Atzorn vor die Kamera tritt. Nach 32 Minuten, am Strand der Malediven, blickt er sehr betroffen drein und redet dem Publikum ins Gewissen: „Was ist mit unseren Kindern? Sollen die vielleicht erleben müssen, wie ihre Kinder und Enkelkinder ertrinken oder verhungern?“ Das klingt aufrüttelnd, allerdings scheint Atzorn selbst nicht an das geforderte sofortige Handeln zu glauben. Denn Politikern traut er nur „irgendwelche Kompromisse“ und Konzernen „Raffgier“ zu. Umso erstaunlicher, dass Atzorn im Pressetext als „aufgeklärter Optimist“ vorgestellt wird.

Der Film von Dethlev Cordts und Nicola von Oppel folgt den wissenschaftlich fundierten Annahmen des Bestseller-Romans „Der Schwarm“ von Frank Schätzing. Dabei liefert das Autorenduo nach einem Jahr Dreharbeiten zwischen Arktis und Antarktis traurige, beeindruckende Bilder, etwa von großen Schmelzwasserseen auf dem Grönlandeis. Diese Schönheit ist jedoch mit Furcht einflößenden Folgen verbunden: Fließt zu viel Schmelzwasser in die Nordsee, sinkt der Salzgehalt des Wassers, was dazu führen könnte, dass der Golfstrom wie bereits einmal vor 8000 Jahren abreißt. Die paradoxe Folge der Erderwärmung wäre eine neue Eiszeit in Europa. Allzu tief in die wissenschaftliche Diskussion dringt der Film jedoch nicht ein, Handlungsmöglichkeiten werden auch nicht aufgezeigt. Stattdessen philosophieren Atzorn und Schätzing über Mensch und Natur. Der Kölner Schätzing bietet dabei eine ebenso pessimistische Prognose wie Atzorn – aber im gelassenen Tonfall des abgeklärten Bestsellerautors. Die Zukunft der Ozeane schätze er positiv ein, sagt Schätzing, „aus Sicht der Ozeane“. Auch werde es keinen Weltuntergang geben, denn „die Welt besteht doch nicht nur aus uns Menschen“.

Die ungewöhnliche Programmierung am Freitagabend ist aus der Not geboren: Wohin auch sonst mit einem 75-minütigen Dokumentarfilm? Umwelt hat zwar Konjunktur, doch im Ersten tut sich die ARD schwer damit. Ökologie ist bestenfalls Thema in aktuellen Sendungen und Magazinen wie „Monitor“. Für die vom WDR-Rundfunkrat geforderte Rückkehr eines eigenständigen Umweltmagazins gibt es innerhalb der ARD nach wie vor keine Mehrheit.

„Die Rache der Ozeane“, ARD, 21 Uhr 45

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