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© HR

Fernsehen: Fahrlehrer, ergraut, sucht …

„Juli mit Delphin“ kombiniert charmant eine Liebelei mit einer Fahrschul-Soap. Exzellente Schauspieler retten den Fernsehfilm vor allzu klebrigen Klischees.

Das Drehbuch ist so anarchisch wie ein Bausparvertrag. Hubert, seit Jahren Besitzer einer Fahrschule und bis ans Ende seiner Jahre Fahrlehrer, hat seine Frau und die drei Töchter allein an die Nordsee geschickt. Im Sommer, da brummt Huberts Geschäft, in den Sommer-Fahrkursen setzen sich die schwierigen bis aussichtslosen Fälle hinters Lenkrad. Plötzlich und unerwartet klettert eine junge Frau auf dem Dach des leer stehenden Hauses gegenüber herum. Es sieht nach Absturz aus, Hubert rettet die Jungarchitektin Simone unter Hintansetzung der eigenen Gesundheit.

Zwei Handlungslinien bieten sich jetzt für den Fernsehfilm „Juli mit Delphin“ an: Eine Liebelei zwischen Anfangsfünfziger und Mittzwanzigerin und eine Fahrschul-Soap. Autor und Regisseur Thomas Freundner will nicht widerstehen und lässt Monika wieder und wieder ans Steuer. Es kommt genauso: Monika verdient sich alle Vorurteile von der „Frau am Steuer“, der Freund ist auch weg, es sieht nach ewiger Einsamkeit ohne Partner und Führerschein aus. Sabine Urig versucht erst gar nicht, gegen die „Moni“ anzuspielen. Mit weit aufgerissenen Augen und Tränchen in der Stimme werden ein Schicksal und das Klischee eines Schicksals ausgebreitet. Zumal am Ende die Karikatur eines superspießigen Prüfers (Lutz Herkenrath) für Monika mit Fahrerlaubnis und feuchten Augen bereitsteht. Ende gut, alles gut.

Wer in aller Welt soll sich das mit wachem Bewusstsein anschauen, nur weil es draußen heiß ist und der Hessische Rundfunk im Presseheft von einem „unterhaltsamen Sommerfilm“ flötet? Nein, nein, „Juli mit Delphin“ ist nicht „Sommer vorm Balkon“. Gar nicht erst einschalten? Wäre falsch, denn die Irrungen und Wirrungen zwischen Hubert und Simone beginnen rasch zu interessieren. Auch Hubert ist ein typischer Hubert, mit seiner familiären und beruflichen Situation ist er quasi festgefahren. Simone, das sind attraktive 26 Jahre, der Versuchung nicht abgeneigt.

Was die tausendfach schon erprobte Film- und Figurenanordnung zum tausend und ersten Mal neu belebt, ist die Phrasierung der Hubert-Figur durch Autor Freundner und die Darstellung durch Udo Wachtveitl (besser bekannt als Münchner „Tatort“-Kommissar Franz Leitmayr). Freundner schiebt seinem „Helden“ die besten Stücke in den leicht hochgetunten Dialogen zu, stets hat er das letzte, das kluge, zuweilen zynische Wort (mehr vielleicht, als einem Fahrlehrer zusteht), er beherrscht Umfeld und Mitmenschen. Wachtveitl nimmt die Vorteile seiner Figur dankbar an, zugleich er seinem Hubert quasi ins Wort fällt. Der ist dann auch der von sich selbst irritierte Mann, der sich kleine (sexuelle) Fluchten erträumt, zum Sprung ansetzt, abbremst, wieder … Udo Wachtveitl hebt den gewollt solide inszenierten Reihenhaus-Film über die klassische Situation hinaus, dorthin, wo Nuancen das Amüsement speziell machen.

Simone, besetzt mit Elzemarieke de Vos von der Schaubühne am Lehniner Platz, kommt mit ihrem Bauauftrag besser klar als mit ihren Gefühlen. Der Freund ist auf Nimmerwiedersehen in Brasilien abhandengekommen, der Hubert steht im Nachbargarten. Was die junge Schauspielerin können muss, was Udo Wachtveitl kann, das illustriert die Beinahe-Schlussszene im Treppenhaus. Simone: „Du bist richtig treu!“ Hubert: „Etwas anderes hast du gar nicht verdient!“ Schauen Sie sich das an, urteilen Sie selbst, ob das schmalzt und klebt – oder doch mitnehmen kann.

Es ist nur richtig, dass für Carmen, die Ehefrau von Hubert, Nina Kronjäger engagiert worden ist. Anziehend, schreiende Mutter und lebenskluge Frau, alles andere als Klein-Puttchen, das Hubert die Entscheidung noch leicht machen könnte.

Und so wirkt dieser Film nach seinen 90 Minuten fort, wie es die jazzige Filmmusik versprochen hat: The song is ended, but the melody lingers on.

„Juli mit Delphin“, ARD, 20 Uhr 15

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