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Kampusch

© dpa

Fernsehen: ''Herr Lauda, fragen Sie etwas''

Es war ihre erste Sendung. Doch erfolgreich sieht anders aus. Wenig Zuschauer, gestelzte Fragen und ein fragwürdiges Konzept: Warum Natascha Kampusch als Talkmoderatorin nicht funktionierte.

Nein, ein wirklicher Publikumsmagnet war es nicht, und das ist vielleicht die größte Überraschung an der ersten Talkshow von Natascha Kampusch. Gerade einmal 114 000 Österreicher hatten am Sonntagabend ihren Fernseher auf Puls 4 gestellt, um das ehemalige Entführungsopfer bei seiner Premiere als Talkshowgastgeberin zu sehen. Für den kleinen Privatsender Puls 4, der zwar zur Pro- Sieben-Sat-1-Gruppe gehört, aber für gewöhnlich in Österreich nie mehr als ein paar tausend Zuschauer hat, war das zwar ein Erfolg. Immerhin 4,7 Prozent Reichweite hatte der Sender in der Primetime, so viel wie noch nie in seiner Geschichte. Aber trotzdem war der Reichweitenerfolg bescheiden. Nur so zum Vergleich: Eine zeitgleich laufende Schnulze auf ORF 2 sahen immerhin 697 000 Österreicher (rund 28 Prozent Marktanteil), den Thriller „Collateral“ auf ORF 1 immerhin auch noch 329 000 Menschen.

Irgendwie ist das schon verwunderlich. Schließlich hatte die PR für das neue Format von und mit Natascha Kampusch seit Wochen die österreichische Medienberichterstattung dominiert, am Sonntag, nur wenige Stunden vor der Ausstrahlung, waren alle Tageszeitungen voll mit Kampusch-Interviews, Kampusch-Storys, Kampusch-Kommentaren. Doch all das zerrte die Menschen wohl nicht vor den Fernseher, und vielleicht ist das auch ganz gut so.

Denn bei Lichte betrachtet war Kampuschs erster Auftritt als Talkshow- Host, nun ja, nicht unbedingt großes Fernsehen. Die 20-jährige wirkte zwar bemüht, sie hatte sich gut auf ihren ersten Gast, den ehemaligen Formel-1-Fahrer und Airline-Gründer Niki Lauda vorbereitet. Irgendwie nahm man ihr, und das ist im österreichischen Fernsehen nicht üblich, sogar ab, dass sie sich für ihren Gast interessieren würde.

Sie will reden. Möglichst viel und vor großem Publikum

Trotzdem war vieles Stückwerk. Kampuschs Sprache wirkte gestelzt, ihre Fragen stellte sie mit einem Tempo, das nicht gerade auf große Schlagfertigkeit schließen ließ, und während der ganzen 40 Sendeminuten im pastellfarbenen Studio gab es nie so etwas wie einen Gesprächsfluss, so wie das eben Beckmann oder Kerner auszeichnet. Kampuschs Show war auch nicht live, die Regie hatte insgesamt 80 Minuten Material auf 40 Minuten zusammengeschnitten. Das tat der Sendung auch nicht wirklich gut.

Am Montag war die Kritik jedenfalls verhalten. Die Fernsehkritiker der großen österreichischen Blätter von „Standard“ bis „Kurier“ hielten sich ja noch merklich zurück und lobten Kampuschs guten Willen und ihre exakte Vorbereitung – gerade aber in den Internetforen, wo die Schreiber keine Scheu vor menschlichen Dramen und Drastik haben, ging es heiß her. So stellte etwa ein Poster auf der Website des „Standard“ fest, dass Kampusch sich zwar bemüht habe, aber die Gesprächsführung und die Sendung insgesamt nie über das Niveau einer Schülerzeitung hinausgekommen ist. Das ist zwar böse, aber es stimmt.

Andererseits bleibt gerade nach der ersten Folge die Frage, was diese Sendung eigentlich soll. Eine Talkshow im klassischen Sinn ist sie jedenfalls nicht. Viel zu selten, zu statisch wird da der Gast ins Bild gerückt, und letzten Endes liegt das wohl auch an der Moderatorin selbst. Natascha Kampusch, das wurde bei der Sendung „Natascha Kampusch trifft …“ mit jeder Sekunde deutlich, will reden. Viel und vor möglichst großem Publikum. Und eigentlich will sie nicht nur reden, sie will befragt werden. Besonders kurios war daher auch die Schlussminute. Da sagte Kampusch, dass sie in ihrer Sendung keine letzte Frage an Niki Lauda stellen möchte, sondern sie es besser fände, wenn Lauda ihr eine Frage stellen würde: „Fragen Sie mich etwas. Fragen Sie mich etwas, das sie immer schon wissen wollten.“

Würde Beckmann so etwas machen? Kerner? Maischberger? Natürlich nicht. „Kampusch trifft …“ ist also so etwas wie das letzte Ende der medialen Verwertungskette einer 20-Jährigen, die ein wirklich schweres Schicksal hat. Eine, die nicht wirklich weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen soll, von dem ihr der Entführer Wolfgang Priklopil grob die Hälfte gestohlen hat. Als ihr vor fast zwei Jahren die Flucht aus dem Kellerverlies gelang, waren Interviews mit Natascha Kampusch ein Straßenfeger. Nun schauen 114 000 Leute zu. Ganz offenbar ist das Interesse der Menschen weitergezogen. Unter anderem nach Amstetten.

Markus Huber[Wien]

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